Flüchtlingslager in St. Pölten als "neue Heimat"
Von Sophie Seeböck
Als Achtjährige musste Jasmina Dzanic mit ihrer Familie vor dem Krieg in Bosnien fliehen. Unterschlupf fand sie dann in St. Pölten, im Flüchtlingslager am Spratzerner Kirchenweg.
Heute würden nicht mehr viele wissen, dass es diese Unterkunft im heutigen Sonnenpark gab, so Dzanic. Das will die Berufsfotografin nun ändern: „Mir war es ein Anliegen nun 30 Jahre, nachdem wir nach St. Pölten geflüchtet sind, nicht nur meine, sondern auch einen Teil der Geschichte St. Pöltens zu erzählen.“
Vergangenheit künstlerisch aufgearbeitet
Eineinhalb Jahre lang bearbeitete die Berufsfotografin Fotos dieser Zeit künstlerisch oder stellte diese nach. Das Ergebnis hat sie nun in einem Fotobuch festgehalten.
Nicht nur mit dem bosnischen Titel „Novi Dom“, was übersetzt „neue Heimat“ bedeutet, spielt die 38-Jährige mit ihrer Zweisprachigkeit. „Die Texte im Buch sind auf Deutsch verfasst, bosnische Zitate und Liedertexte habe ich bewusst nicht übersetzt. Wer wissen will, was es heißt, muss danach fragen“, möchte Dzanic ins Gespräch kommen.
Deshalb findet am 20. Juni anlässlich des Weltflüchtlingstags nach einer Multimediashow ihrer Bilder im Cinema Paradiso auch ein Publikumsgespräch statt.
Lebendes Buch
Ab 1. Juli werden die Werke aus „Novi Dom“ auch im Stadtmuseum St. Pölten ausgestellt. Die Zielgruppe sind dabei vor allem auch Schüler: „Ich war damals selbst im Schulalter. Als ‚lebendes Buch‘ könnte ich ihnen in der Ausstellung viel erzählen“, so Dzanic.
Dass das Thema nun so aktuell sein würde, habe sie zu Projektbeginn noch nicht ahnen können. Nach mehrmaligen Versuchen habe sich die St. Pöltnerin bereits während des Lockdowns bewusst für diese „künstlerisch therapeutische Aufarbeitung“ entschieden: „Ich bin mit Unterstützung wieder in diese schmerzhaften und lebensbedrohlichen Situationen eingetaucht. Flashbacks standen an der Tagesordnung“, erzählt sie.
Sie hat deshalb Verständnis, dass sich andere Geflüchtete etwa nicht mit „Novi Dom“ auseinandersetzen können: „Ich will niemanden retraumatisieren“, so Dzanic. Für Infos und Fragen ist sie per eMail erreichbar: jdphotography@gmx.at
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