Großmutter getötet: Angeklagter mit Erinnerungslücken
Am Landesgericht Wiener Neustadt hat am Dienstagvormittag der Mordprozess gegen einen 29-Jährigen begonnen, der im März im Bezirk Neunkirchen seine Großmutter getötet haben soll. Dem Beschuldigten drohen lebenslange Haft und eine Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher. Er bekannte sich nicht schuldig. Ein Urteil wird kommenden Dienstag erwartet.
Der zum Tatzeitpunkt 28-jährige Österreicher soll in der Nacht auf den 23. März die im Bett liegende 75-Jährige im Schlafzimmer ihres Hauses geschlagen, gewürgt und ihr zahlreiche Stiche und Schnitte zugefügt haben. Die Staatsanwältin sprach in ihrem Eröffnungsvortrag von einer "brutalen Vorgehensweise". Verwendet wurden laut Anklage ein Klappmesser mit einer Klingenlänge von etwa zehn Zentimetern und ein Messer aus der Küche der Großmutter (Klingenlänge: 11,6 Zentimeter). Infolge mehrerer Stichverletzungen am Hals starb das Opfer der Anklageschrift zufolge an Herz-Kreislauf-Versagen.
Die 75-Jährige wurde am 23. März tot in ihrem Haus in einer Marktgemeinde im Bezirk Neunkirchen entdeckt. Neben der Leiche wurde im Schlafzimmer ein Brief an die Frau gefunden, den ihr Enkel erfasst haben soll und in dem es u.a. heißt: "...es gibt mehrere, wenn nicht viele, Gründe warum Sie nicht verdienen zu leben...." Vom Verdächtigen ist in dem Schriftstück in der dritten Person die Rede. In der Nacht auf den 24. März wurde der Mann im Bezirk Baden festgenommen und in die Justizanstalt Wiener Neustadt eingeliefert. Er wird unter anderem durch mehrere DNA-Spuren belastet.
"Besondere Bindung"
Zwischen dem Opfer und dem Beschuldigten bestand nicht nur eine verwandtschaftliche, sondern in Summe eine "besondere Bindung", wie die Staatsanwältin im Eröffnungsvortrag festhielt. Die Frau soll den 29-Jährigen laut Anklage immer wieder unterstützt haben, emotional und auch finanziell. Außerdem soll sich das spätere Opfer um den Enkel gekümmert haben, obwohl dieser mehrmals Gewalt gegen Verwandte und andere Personen in seinem Umfeld ausgeübt haben soll. Vor dem 23. März nächtigte der Angeklagte mehrmals bei der 75-Jährigen - davor war er eigenen Angaben zufolge auch immer wieder obdachlos gewesen.
Der 29-Jährige leidet laut einem psychiatrischen Gutachten an einer Persönlichkeitsstörung und einer paranoiden Schizophrenie. Laut der Expertise ist der Angeklagte dennoch zurechnungsfähig, aber potenziell gefährlich. Die Staatsanwaltschaft beantragte deshalb die Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gemäß Paragraf 21 Absatz 2 Strafgesetzbuch.
Verteidiger Wolfgang Blaschitz knüpfte an das Gutachten an und befand, dass der Beschuldigte "im wahrsten Sinne des Wortes nicht normal" sei. Der Jurist verwies unter anderem auf die Drogenvergangenheit des heute 29-Jährigen und darauf, dass dieser an Wahnvorstellungen litt. "Beim ersten Treffen hat er mir gesagt, dass er weiß, dass er geisteskrank ist", sagte der Anwalt. Daran, was in der Nacht auf den 23. März geschehen ist, kann sich der Angeklagte laut Blaschitz jedoch nicht erinnern. Zum Tatzeitpunkt sei der 29-Jährige unzurechnungsfähig gewesen, meinte der Verteidiger.
Der zweifach einschlägig Vorbestrafte sagte, sich an eine Attacke auf die Großmutter nicht erinnern zu können. Auf Nachfrage seines Anwaltes hielt er es dann aber doch für möglich, in einem Zustand „unbegründeter Wut“ gehandelt zu haben.
„Irgendjemand muss die Frau ja getötet haben“, sagte Verteidiger Blaschitz bei der Befragung zu seinem Mandanten. „Wäre es ein mögliches Szenario, dass sie einen 'Schub' hatten und es doch waren, aber null Erinnerung daran haben?“ Der 29-Jährige antwortete: „Das halte ich leider schon für möglich mittlerweile.“ Er könnte einmal mehr „Sachen für die Wahrheit gehalten haben, die keinen Bezug zur Realität haben“ und dadurch aggressiv geworden sein, mutmaßte der Beschuldigte.
LSD und Amphetamine
Zuvor hatte der Mann detailliert vom Verlauf des 22. März berichtet. Stunden, bevor die 75-Jährige attackiert wurde, habe er am Bahnhof Wiener Neustadt und im Zug Drogen zu sich genommen - „zwei Tropfen LSD und nachher dann zwei Lines Amphetamine“, sagte der Angeklagte. Versprochen habe er sich davon „eine 'Gaude'“, er sei mit Freunden unterwegs gewesen.
Später sei er dann von einem Verwandten zu seiner Großmutter zurückgefahren worden. Am Abend habe er bei ihr etwas gegesessen, „zwei, drei Zigaretten geraucht“, sich gegen 21.00 Uhr von der 75-Jährigen verabschiedet und anschließend das Haus verlassen. „Dann bin ich spazieren gegangen, nach Neunkirchen.“ Gelandet sei er schließlich am nächsten Tag in der Früh im Haus seines Vaters.
Den Tod der Großmutter habe er „noch immer nicht“ realisiert, das Geschehen sei grausam. „Bei der Tatrekonstruktion habe ich das Bild der Oma gesehen und musste weinen.“ Das im Schlafzimmer der 75-Jährigen gefundene Schreiben habe er im Akt gelesen, mit dem Inhalt könne er aber nichts anfangen: „Das ist ein absoluter Blödsinn.“ Er selbst will den Brief nicht verfasst haben.
Zum späteren Opfer habe er ein sehr gutes Verhältnis gehabt. In der Phase, als er bei ihr nächtigte, habe die 75-Jährige stets seine Wäsche gewaschen und für ihn gekocht. Auch Unterstützung finanzieller Natur bekam der Angeklagte über längere Zeit hinweg: „Sie hat mir immer so zehn bis 20 Euro gegeben in der Woche, Zigaretten hat sie mir auch mitgebracht. Für mich als Mindestsicherungsbezieher war das super.“ Den Dank, „den sie verdient hätte“, habe er ihr nie gegeben.