"Es gibt das bewährte Instrument des Kompromisses"

„Politische Bildung erbringt eine Leistung für die Demokratie als Ganzes“ (W. Sander)
Der Sozialwissenschafter Wolfgang Sander, Experte für politische Bildung, über die Krise der Parteiendemokratie, die Zukunft der Volksparteien und neue Formen politischer Partizipation.

KURIER: Politik steckt in einer tiefen Vertrauenskrise – was sind Ihrer Meinung nach die Ursachen?

Wolfgang Sander: Für diese Vertrauenskrise gibt es mehrere Gründe. Viele Menschen wollen sich heute nicht mehr längerfristig in großen Organisationen binden. Damit haben neben Parteien auch Kirchen, Gewerkschaften und andere Verbände zu kämpfen. Was die traditionellen Parteien betrifft, so kommt dazu, dass sie ihre Wurzeln in sozialen Milieus haben, die im 19. Jahrhundert entstanden sind: Liberalismus, Sozialismus, Konservatismus stammen aus dieser frühen Phase der Demokratie. Aber die entsprechenden Milieubindungen sind verschwunden oder zumindest stark zurückgegangen. Ein anderer Punkt ist die immer weiter voranschreitende Verrechtlichung. Das Rechtssystem wird immer komplexer – und damit auch die politischen Entscheidungsprozesse. Aber gleichzeitig steigen, auch durch die schnellen Informationsmöglichkeiten, die Erwartungshaltungen. Die Regierung soll schnell liefern, wenn es ein Problem zu lösen gilt – aber die Lieferprozesse werden komplizierter. Und ein letzter Punkt: Es zeigt sich, dass die sozialen Medien, von denen sich viele einen Zugewinn an Partizipation erwartet haben, doch sehr negative Effekte für die Demokratie haben.

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