Weinheuriger effektvoll abgetreppt

Ein modernes, weißes Gebäude steht inmitten eines Weinbergs.
Ein historischer Weinkeller wird zum zeitgenössischen Heurigen mit zwei Gesichtern: Von vorne unscheinbar, offenbart sich rückseitig eine architektonische Gerissenheit, die der Landschaft Rechnung trägt.

"Es ist ein elegant-natürlicher Funktionsbau, der nicht mehr vorgibt, als er ist", fassen March Gut ihr jüngstes Projekt zusammen. Bescheidene Worte, wenn man sich das Ergebnis vor Augen führt: Das Linzer Duo restaurierte ein altes Presshaus im niederösterreichischen Feuersbrunn und machte eine bodenständige Weinschenke daraus – getoppt mit begehbarer Sitzstufenlandschaft an der Fassade, die das Panorama über die Weinberge und den Wagram zelebriert. Die Aussicht wurde so zum Namensgeber des Projekts: "Weinblick".

Eine weiße Treppe mit Metallgeländer führt zu einem Gebäude unter blauem Himmel.
Als Möbel- und Produktdesigner erstellen Christoph March und Marek Gut Gesamtkonzepte und Planungen, die sie dann mit Baumeistern umsetzen. Doch mit der Verjüngungskur in der Feuersbrunner Kellergasse stellen die Gestalter auch ihr architektonisches Geschick unter Beweis. Und das nicht zum ersten Mal: Schon bevor Winzer Franz Anton Mayer sie mit dem Umbau seines Weinkellers beauftragte, haben sie sich mehrmals mit der Umsetzung von Verkaufsräumen für Wein, Brot oder Wurst beschäftigt.

Der Weinblick ist Heuriger und Lagerraum, reizvoller Veranstaltungsort und Ab-Hof-Verkaufstelle zugleich. Von der Straßenseite aus erweckt das weiß verputzte Häuschen zunächst einen völlig unscheinbaren Eindruck. Beim Blick auf die Rückseite zeigt es allerdings ein anderes Gesicht. Zum Garten hin wurde die klassische Architektur der Feuersbrunner Kellergasse radikal verändert. Die Designer bauten die gesamte Rückseite in eine abgetreppte Schräge um, die zum Verweilen einlädt. "Als wir das erste Mal vor Ort waren, hat uns der Ausblick begeistert. So kam es dazu, dass wir diesen zusätzlich hervorheben wollten", sagt Marek Gut. Wo zuvor Dach und Fassade waren, erstrecken sich nun – über die gesamte Breite und Höhe – Terrassenstufen zum Sitzen. "Um die Fassade vor Verwitterung zu schützen, wurde sie mit einem in der Druckkammer spezialbehandeltem Lärchenholz gedeckt", erklärt Gut.

Ein Weinladen mit einem großen, hausförmigen Regal voller Weinflaschen.
Neben dem Thema "Verweilen", stand auch der Aspekt "Weinverkostung" im Mittelpunkt ihrer Überlegungen. Diesem wird der Innenraum, der für Präsentation und Gastronomie konzipiert ist, gerecht. "In erster Linie galt es, das Meischebecken aus Beton zu erhalten. Dieses befindet sich im Boden und dient nun als Schaulager. Daraus entstand nach und nach die Kombination aus ursprünglichen Materialien: Stahl für die Treppe und Sichtbeton für die Nassräume und die Küche", schildert Gut. Das Regal, das sich bis unters Dach erstreckt und die archetypische Form des kleinen Hauses aufnimmt, besteht aus Seekiefer.

Der rund siebzig Quadratmeter große Bau wird auch unterirdisch genutzt. "Die Stufenform setzt sich innen fort und schlingt sich als Treppe oder in Form von Regalen bis in den Keller", so die Designer. Unten angekommen, steht man auf einem lang gezogenen, beleuchteten Präsentationssteg. Der für die Region typische (und für den Weinbau besonders fruchtbare) Lößlehm wurde an den Wänden in seinem rohen Zustand belassen. "In der Mitte des Raumes sind auf einer Stahlkonstruktion schwarze Kisten zur Lagerung der Weine montiert" sagt Gut. Für eine effektvolle Inszenierung sorgen seitlich im Boden eingelassene Lichtbahnen. Die indirekte Beleuchtung unterstreicht die Unregelmäßigkeit der Wände und betont zusätzlich ihren erdigen Charakter.

Ein langer Tisch mit schwarzen Kisten steht in einem Tunnel mit rauen Wänden.
Die größte Herausforderung, sagt Marek Gut rückblickend, sei die Treppe gewesen, die sich von Innen bis Außen erstreckt und unterwegs unterschiedliche Funktionen erfüllt. Wie ein Rebstock, der im Erdreich verwurzelt und zum Himmel empor wächst, hält auch die Treppe oben und unten zusammen: Sie verbindet die Sitzstufen im Freien mit dem Gewölbekeller und sorgt damit auf allen Ebenen für einen unbeschwerten Zugang zum Thema Wein.

Weinblick, Am Ende der Kellergasse, 3483 Feuersbrunn am Wagram, Tel. 0664/46 83 110

marchgut.com

Kommentare