Streifzüge mit der Kamera

Zwei Millionen neue Eigenheime – so lautete das beispiellose Versprechen, das Vicente Fox im Jahr 2000 gab. Der mexikanische Präsident wollte Wenigverdienenden damit ein eigenes Dach über dem Kopf ermöglichen. Kurz darauf fuhren die Bagger vor: Bis zu 50.000 winzige und idente Einfamilienhäuser wurden am Stück aus dem Boden gestampft. Quasi über Nacht sind ganze Siedlungen in weit abgelegenen landwirtschaftlichen Regionen entstanden – ohne jede Infrastruktur. Öffentliche Einrichtungen wie Schulen, Parks und Transportsysteme sind kaum vorhanden. Auch kommerzielle Strukturen wie Banken und Lebensmittelgeschäfte sind rar. Während Fox’ sechsjähriger Präsidentschaft entstanden 2.350.000 Häuser auf diese Art – das entspricht einer Rate von mehr als 2500 Wohnungen pro Tag.
Den Alltag in diesen Kleinstädten hält Livia Corona mit ihrer Kamera fest. Sie erforscht die Entwicklung in den Häusern und zeigt, wie sich die Orte wandeln. Was genau passiert in den Haushalten? Wie verändern sie sich im Lauf der Zeit? Antworten findet man in Coronas ergreifender Bildserie, die derzeit im Architekturzentrum Wien (AzW) in der Ausstellung "Zoom!" zu sehen ist.


Künstler Nicoló Degiorgis begab sich nach Oberitalien. Seine 90-teilige Bildstrecke "Hidden Islam" lässt auf den ersten Blick nur graue Mauern, leer stehende Geschäftslokale, Garagen und Lagerhallen erkennen. Doch das ist nur Fassade. Weil in Italien keine Moscheen gebaut werden dürfen, sind hinter diesen Wänden muslimische Gebetsräume entstanden.
Mit Leerstand beschäftigt sich auch die Serie "Landflucht". Ulrike Myrzik und Manfred Jarisch zeigen etwa, wie sich die Schließung einer Porzellanfabrik im deutschen Fichtelgebirge auf die umliegenden Dörfer auswirkt. Insgesamt werden die Arbeiten 13 internationaler Künstler – von Deutschland über Spanien bis China – nebeneinandergestellt. Bilder voll Melancholie, die unterschiedliche Wohn-, und Lebenswelten eindrucksvoll heranzoomen.
„Zoom!“ ist eine Übernahme des Architekturmuseums der TU München (Pinakothek der Moderne). Bei den gezeigten Werken handelt es sich um keine Auftragsarbeiten. Die Schau gastiert noch bis 17. Mai 2016 im Wiener AzW im MuseumsQuartier (Museumsplatz 1, 1070 Wien, Tel. 01/522 31 15). Täglich von 10–19 Uhr.
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