Kinos sind magische Schauplätze, die Emotionen auslösen. Dass die Lichtspieltheater eine neue Wertschätzung erfahren, liegt auch an deren Gestaltung. Was zeichnet die Architektur eines guten Kinos aus? Ein Besuch bei ausgewählten Filmhäusern.
Jeder Kinobesuch gleicht einem Ritual: Die Wahl des Films, der Kauf der Tickets, das Verblassen des Lichts im Saal, das Ende des Abspanns. "Ein gutes
Kino muss auf das Bevorstehende einstimmen, aber wenn der Film beginnt, den Raum vergessen lassen", sagt Gregor Eichinger, Architekt und bekennender Cineast. Es ist ein besonderer Ort, der die Besucher für eine gewisse Zeit in ihren Bann zieht. "Wenn man zu Hause einen Film schaut, stellt sich das Gesamtereignis nicht ein. Das Kino ist ein emotionaler Verstärker, bei dem man mit anderen Menschen ein Erlebnis teilt." Ernst Kieninger, Direktor des Filmarchivs Austria, sieht es ähnlich: "Im Kino kann man seinen Horizont erweitern und neue Weltbilder kennenlernen. Das ist für mich in Kombination mit dem Gemeinschaftserlebnis ein magischer Ort." Der Großteil der Wiener Lichtspieltheater, die tatsächlich Flair verströmen, stammen meist aus den 1950er- und 1960er-Jahren.
Renaissance des Kinos
Ein imposantes Gegenstück hat das Wiener Architekturbüro Coop Himmelb(l)au 2012 mit dem "Busan Cinema Center" in Südkorea geschaffen. Eine Architektur mit Ansage, dass das Kino trotz Digitalisierung und allgegenwärtiger Rezeptionsmöglichkeit eine strahlende Zukunft vor sich hat. "Ich spüre schon länger, dass es eine Renaissance gibt. Man hat bereits zu viele Kinos verloren, als dass man das fahrlässig weiter passieren lassen kann." Norman Shetler ist seit fast sieben Jahren Geschäftsführer des 1960 eröffneten Wiener Gartenbaukinos, eines der wenigen Überbleibsel an charismatischen Filmpalästen.
Die Trendwende manifestiert sich in steigenden Besucherzahlen und einem bleibenden Bewusstsein. "Ich habe das Gefühl, dass das Kino wieder in der Stadt angekommen ist. Es wird wie ein kleines Wahrzeichen empfunden." Die Schließung unglaublicher Mengen an Spielstätten zwischen 1970 und 1990 hatte seine Gründe. "Das Kino vermittelte in dieser Zeit oft nicht mehr seinen kulturellen Wert. Viele wurden aus ökonomischen Gründen umgebaut und haben dadurch ihren Reiz und an Schönheit verloren", sagt Shetler. Mit diesem Verlust geriet auch der Name einer großen Persönlichkeit in Vergessenheit: Robert Kotas war der Kinoarchitekt des Landes, gestaltete über 40 Kinos in Wien, Graz und Salzburg. Die Versiertheit, mit der er Ästhetik und Technik verband, kann heute noch im Gartenbaukino – dem einzig übriggebliebenen seiner Bauten – besichtigt werden.
Allein die Deckenkonstruktion im Saal setzte Maßstäbe: Kotas versah Phonex-Weichfaserplatten mit verschiedenen Mustern, denen er eigene Farben zuordnete. Die unverwechselbare Optik punktet zudem mit einer beeindruckenden Akustik.
Das Schicksal des vergessenen Architekten traf auch Albrecht F. Hrzan, der zum Beispiel das Filmcasino entwarf. Ein architektonisches Juwel, das zwischenzeitlich heruntergekommen 1989 behutsam von Elsa Prochazka und Silvin Seelich renoviert wurde. Es eint die noch existierenden Lichtspielhäuser, dass ihr Erhalt mühsam erkämpft wurde. Heute sind sie als kulturelles Erbe und Zeitzeugen optischer Opulenz nicht mehr wegzudenken.
Lange Historie, zeitgemäß adaptiert
"Wien konnte nie eine eigenständige Kinogebäudearchitektur entwickeln", sagt Ernst Kieninger, "das Kino war immer ein bisschen versteckt – im Souterrain oder in Wohngebäuden. Im Inneren wurden aber Akzente gesetzt." Etwa im Metro Kinokulturhaus. Ein geschichtsträchtiger Ort, in dessen Kellerräumlichkeiten zur Biedermeierzeit eine Art Grottenbahn verkehrte und der 1924 zu einem Theater umgebaut wurde.
Der Saal mit seinem Neorokoko-Ambiente steht unter Denkmalschutz, die Holzvertäfelung, Logen und Balkone befinden sich im Originalzustand. Die letzten dreieinhalb Jahre wurde die Hauptspielstätte des Filmarchivs Austria zum Kinokulturhaus mit Ausstellungsräumlichkeiten unter Regie vonArchitekt Dominik Aichingeraus- und umgebaut, die Fassade saniert und das Interieur adaptiert. Im Foyer wurden Überschichtungen freigelegt und Zubauten entfernt, um die Anmutung des Raumes wiederherzustellen. Eine Möglichkeit, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, wie ein Kino von heute aussehen kann. "Das war eine tolle Auftragstellung, weil Kino eine Form der emotionalen Architektur ist, die mehr und mehr verloren geht", sagt Gregor Eichinger, verantwortlich für die Innenraumgestaltung.
Eichinger entwarf einen charakteristischen Teppich, der Boden und Wände ziert. Ziemlich einzigartig ist die Glaswand, durch die man von der Bar aus den Film verfolgen kann, ohne im Saal sitzen zu müssen. "Der Kinosaal befindet sich heute auf Augenhöhe mit dem Theater- oder dem Opernsaal. Er bekommt diese spezielle Einzigartigkeit des Abends, die man nur dort erleben kann", sagt Eichinger. Die Gestaltung entspricht dem Grundwesen der Kinoarchitektur, die laut Kieninger stets "das Schwelgerische, Üppige und besonders Prachtvolle der jeweiligen Epochen zitierte".
Mit dem Boom von Multiplexkinos, die an Verkehrsknotenpunkten und an der Peripherie errichtet wurden, sei dieser Reichtum großteils verloren gegangen. Eine Ausnahme liefert ein weiteres Projekt von
Wolf D. Prix mit dem 1998 in Dresden fertig gestellten UFA Kinopalast. Seine futuristische Optik hat nichts an Strahlkraft verloren, der lebendige Raum erinnert beim Durchschreiten an die Dynamik eines Films. Ob avantgardistisches Multiplex oder stilvolles Programmkino, der Kinobesuch verspricht letztlich das, was die Filmindustrie mit immer neueren Technologien versucht: die Sinne anzusprechen. In welchem Ambiente dies in Zukunft passiert, liegt auch in der Hand der Besucher.
Kommentare