immo-humana: "Haus der Menschlichkeit"

Die Finger in dicke Fäustlinge gesteckt, die Beine im Skianorak. Kalte, feuchte Wände, Ratten und modrige Luft – so sah das Zuhause einer Hochschwangeren und ihrer beiden Kinder aus. Heute muss sie in diesem Keller zum Glück niemand mehr wohnen. Eine Woche vor dem errechneten Geburtstermin ist es immo-humana gelungen, der Familie eine trockene und warme Unterkunft zu organisieren. Wie auch schon Tausenden anderen Frauen und Kindern zuvor.
Seit 19 Jahren kümmert sich Georg Slawik, Obmann und Gründer des Vereins, gemeinsam mit ehrenamtlichen Helfern und Helferinnen um Frauen in Wohnungsnot – egal welcher Herkunft. Ein Besuch im Büro von immo-humana in der Wiener Burggasse:
KURIER: immo-humana ist weltweit einzigartig. Wie lange gibt es den Verein schon und was zeichnet ihn aus?
Georg Slawik: Ich habe den Verein 1997 mit dem Ziel gegründet, schwangeren Frauen und alleinerziehenden Müttern in Wohnungsnot zu helfen. Am Anfang war es schwer. Einerseits weil es keine Wohnungen gab. Andererseits weil soziales Engagement einen anderen Stellenwert hatte: Es gab keine laufenden Charity-Events wie heute, sondern wir mussten Aufklärungsarbeit leisten. Die Kollegen haben einen Bogen um mich gemacht. Heute schaut es anders aus: Wir hatten erst im Oktober ein großes Konzert im Musikverein, das mit 1700 Leuten voll besetzt war.
Sie sind Makler und Immobilienverwalter. Woher kommt Ihr soziales Engagement ?
Es hat immer schon in mir geschlummert. Ich wusste, dass ich irgendetwas machen will, aber anfangs war mir nicht klar, in welche Richtung. Man kann es auch Berufung nennen.
Warum kümmern Sie sich ausgerechnet um alleinstehende Frauen und Mütter?
Weil es am notwendigsten war – und ist. Alleinstehende Frauen waren damals wie heute die Ärmsten unter den Wohnungssuchenden. Wenn sie in Not geraten, sich die Miete nicht mehr leisten können oder im Frauenhaus leben, stehen sie mit ihren Kindern alleine da. Bisher konnten wir etwa 650 Frauen und rund 1600 Kindern eine Wohnung vermitteln. Zudem gibt es Landesstellen in Tirol und Vorarlberg.
Sieht Obdachlosigkeit bei Frauen anders aus als bei Männern?
Sie ist versteckter, aber nicht minder schlimm. Frauen sind nicht auf der Straße oder in U-Bahn-Stationen. Sie finden bei Bekannten oder Verwandten Unterschlupf, schlafen mit ihren Kindern auf wenigen Quadratmetern in einer Ecke oder im Vorraum vor der Eingangstüre. Sie sind interimsmäßig untergebracht und wissen, dass sie in kurzer Zeit wieder ausziehen müssen. Sie leben zwar nicht auf der Straße, aber dort wo sie unterkommen, sind sie nur bis auf Widerruf geduldet. Dieser psychische Druck ist enorm.
Was hat sich im Lauf der Jahre verändert?

Wer bezahlt die Miete?
Die Betroffenen können und sollen selbst zahlen. Der Punkt ist: 350 Euro sind machbar, 550 Euro nicht. Zudem sammeln wir Spenden, um in Notfällen helfen zu können. Allerdings prüfen wir vorab sehr genau, ob wirklich Bedarf besteht.
Wie lange können die Frauen bleiben?
Ideal wäre eine Lösung, in der die Familien den Rest ihres Lebens bleiben können. Leider spielt es das nicht immer. Die meisten Vermieter befristen die Dauer zunächst auf drei Jahre. Nach Ablauf dieser kann die Vermietung wieder an die selbe Frau verlängert werden, muss aber nicht.
Ein Projekt, das Ihnen seit Jahren am Herzen liegt, ist das immo-humana-Haus. Welches Ziel verfolgen Sie, wie ist der Status quo?
Wir suchen ein Gebäude, in dem wir unseren Standort errichten können. Es soll einige Notwohnungen beherbergen, wo Frauen unterkommen können, bis wir eine endgültige Vermietung gefunden haben. Wir benötigen außerdem eine Ordination, ein Lager und einen Seminarraum. Dann könnten wir Veranstaltungen wie eine Weihnachtsjause etwa, Geburtstagsfeiern oder Frauenrunden verwirklichen. Die Finanzierung haben wir in hundert Bausteine unterteilt, durch deren Verkauf wir 450.000 Euro erzielen möchten. Eine Partnerorganisation würde weitere 450.000 Euro bereitstellen, so dass wir ein Budget von 900.000 Euro zur Verfügung hätten. Damit könnte hier in Wien ein Haus der Menschlichkeit, ein Haus der Humanität entstehen.
Eine Liegenschaft ist bereits gefunden?
Nein, bisher war kein passendes Gebäude dabei. Wir platzen hier aus allen Nähten und ich bin voll Zuversicht, dass wir unserem Ziel – ein bestandsfreies Zins- oder Geschäftshaus in zentraler Lage – immer näher kommen. Wir wollen es nicht geschenkt, aber vielleicht ein bisschen günstiger. Vermutlich wird der Besitzer mit einem anderen Abnehmer mehr verdienen können. Und es bedarf auch ein gewisses Maß an Faszination zu sagen, ich verkaufe jetzt mein Haus und dann geht dort die Not ein und aus. Aber dieses Haus wird zu einem Ort, an dem sich neue Lebensperspektiven entscheiden und wo Frauen und ihre Babys Hilfe bekommen können.
Wie lautet Ihr Wunsch ans Christkind?
Wohnungen, Wohnungen – und noch einmal Wohnungen. Auch eine Landesstelle in der Steiermark ist wünschenswert, denn dort herrscht große Wohnungsnot. Zudem sollten sich die Leute wieder erinnern, was wir zu Weihnachten eigentliche feiern. Nämlich die Geburt eines Kindes – in einem Stall unter der Erde, weil kein Platz in der Herberge war. Dann stellt sich die Frage, ob Weihnachten nicht ein guter Anlass ist, sich selbst eine ideologische Freude zu bereiten. Durch Spenden, ehrenamtliches Mitarbeiten oder das Bereitstellen von Wohnraum. Zu sehen, wie glücklich diese Menschen sind und das erste Mal wieder lachen, bereitet sehr große Freude. Jeder sollte das einmal ausprobieren. Vielleicht hilft es auch zu überlegen, wie es wäre, wenn wir am 23. Dezember unsere Wohnung verlieren, sei es wegen eines Wasserschadens beispielsweise. Das zieht uns den Boden unter den Füßen weg. Und so geht es diesen Frauen – und ihren Kindern – permanent. Not hat viele Gesichter. Aber Wohnungsnot ist eine schlimme Not.
Spenden: IBAN: AT62 2011 1000 0304 6400, BIC: GIBAATWWXXX
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