Krischanitz zeigt seine neuesten Projekte
Seine Reiseroute sah über Jahre so aus: Wien, Berlin, Zürich und das Ganze wieder retour. Jede Woche. Seit Neuestem beschränkt sich das Vielflieger-Programm auf Wien und Zürich – zum Leidwesen seiner Studenten ging Krischanitz letzten Herbst als Professor an der Universität der Künste in Berlin endgültig in Pension.
Jetzt also Wien und Zürich. In beiden Städten unterhält der 66-jährige Architekt Büros, wobei das in der Schweiz längst das wesentlich größere ist. Derzeit wird dort von 15 auf 30 Mitarbeiter aufgestockt, man sucht nach größeren Büroräumlichkeiten. Es geht um die Realisierung des bisher größten Auftragsvolumens in seiner Laufbahn, das Headquarter der Zürich Versicherung. Den Wettbewerb dafür hatten Krischanitz und sein Team im vergangenen Jahr gewonnen.
Jetzt also im Taxi. Man hat den Chefarchitekten in seinem Büro auf dem Getreidemarkt abgeholt und darf jetzt einen halben Tag lang mit ihm durch die Stadt fahren. Die Betonung liegt auf darf, denn einer wie Krischanitz hat eigentlich nie Zeit (siehe oben), schon gar nicht länger als eine Stunde, aber man kennt sich zum Glück schon. Und trotzdem, ganz klar: Ja, man fühlt sich doch sehr geehrt.
Innerhalb seiner Generation erfüllt Krischanitz nicht das Klischee des egozentrischen Star-Kreativen, er baute schon immer gern mit Kollegen: „Zum einen, weil mir allein oft zu fad ist. Vor allem aber, weil mir einfach die Zeit fehlt.“ So wurde von jedem der drei Architekten jeweils ein Gebäudekomplex geplant. Bei Krischanitz gibt es im Dachgeschoß großzügige Ateliers, bei Czech verspielte Details entlang der Fassade wie sichtbare Dachrinnen und kleine Vorgärten und beim Youngster der Gruppe, Werner Neuwirth, ordnen sich unterschiedlich breite Lärchenbretter zu einem dezenten Fassadenmuster an.
„Ich kann hier mit dem Hammer auf die Fassade draufhauen. Den heute verwendeten Vollwärmeschutz kann ich hingegen mit dem Finger eindrücken.“
Im Fenster hinter ihm ist ein niedlich geblümter Vorhang zu sehen, zwischen den Höfen stehen Rodeln und ein Gartenzwerg. Ganz egal, wie clean ein Haus geplant wurde, später wird es durch seine Bewohner belebt.
„Was Czech, Neuwirth und ich nicht wollen, ist der Vollwärmeschutz. Es ist einfach so, dass dieses Klumpert in 40 Jahren kaputt ist, das weiß man. Uns ist lieber, wir haben eine Lärchenschalung von 2,5 Zentimetern, dahinter eine durchlüftete Wärmedämmung und drinnen einen Wandaufbau.“ Er könne jetzt hier mit dem Hammer auf die Fassaden draufhauen und die würde das aushalten. „Schauen Sie sich dagegen den heutigen Vollwärmeschutz an – den können Sie mit dem Finger eindrücken.“
„Das ist wie ein Wintermantel und ich habe mit dieser Form gespielt, indem dazwischen versetzt Balkone herausragen.“
Was hier und bei allen anderen Projekten auf unserer Tour auffällt: Krischanitz gestaltet geschmackvollste Geländer für Balkone und Stiegenhäuser. Es kann also auch beim extrem niedrig kalkulierten Wohnbau etwas Schöneres als das trostlose Einheitsgitter herauskommen.
In China haben Sie auch schon mehrere Projekte gemacht?, frage ich ihn. „Ja einige, aber bisher wurde nichts davon realisiert. Einmal habe ich ein Museum in Chengdu entworfen. Aber da bin ich bis heute froh, dass das nicht gebaut wurde, nachdem ich erfahren habe, was da für schlechte Kunst hineingekommen wäre.“
Krischanitz interessiert sich für Kunst und ist mit namhaften Künstlern befreundet, lädt diese auch immer wieder ein, bei seinen Planungen mitzumachen. So hat zum großen Erfolg der Temporären Kunsthalle auf dem Berliner Schlossplatz mit Sicherheit auch die farbkräftige Gestaltung der Außenwände von Gerwald Rockenschaub beigetragen.
Zu den Leuten, die das Bauen in China kategorisch ablehnen, zählt er allerdings nicht. „Ich habe dort mittlerweile an die 20 Vorträge gehalten und dabei schenke ich denen auch ordentlich ein, da erspare ich ihnen nichts. Ich glaube einfach, je mehr der Westen dort mittut und sich engagiert, desto besser ist es. Es macht keinen Sinn, die Menschen dort ihrer Isolation zu überlassen.“
„Weil das wäre jetzt blöd, ausgerechnet hier zu sterben“, so Krischanitz. „Ja“, sage ich, „mir wäre es auch lieber, wenn nicht gerade jetzt.“ Der Unterschied zwischen Wien und Zürich? „Bei den Schweizern ist mehr Geld da. Sie haben aber auch eine größere Baukultur, der Anspruch an Nachhaltigkeit ist sehr groß, es werden nur gediegene Materialien verwendet.“ Es gibt natürlich auch Stimmen, die glauben, dass die Schweizer zu wenig radikal sind. Adolf Krischanitz hat dazu seine eigene Ansicht: „Sie haben nicht diese Form-Eskapaden, die man bei uns so liebt. Dabei sind die ja meist recht oberflächlich.“ Die sogenannte Signatur-Architektur, also das Auffallen um jeden Preis, lehnt er ab. Das ist modischer Firlefanz, auf den sie hierzulande immer wieder hereinfallen.“ Nicht nur beim Bauen: Die große Pose funktionierte in Wien schon immer gut.
Wir fahren zurück im Taxi Richtung Getreidemarkt. In fünf Minuten hat er seinen nächsten Termin, am Abend wird er wieder im Flieger nach Zürich sitzen.
Demnächst hat Krischanitz vor, mehr Zeit für Urlaube und fürs Lesen zu haben. Er hat es sich fest vorgenommen. Nicht alle wollen ihm das glauben. Denn hier macht einer seinen Job richtig gerne.
Zu seinen bekanntesten heimischen Entwürfen zählt die Kunsthalle am Wiener Karlsplatz, seine Erneuerung der Secession und die Revitalisierung des 21er-Hauses.
Seine neuesten Projekte in Wien sind ein Wohnbau für Eurogate (größte Passivhaus-Siedlung Europas) auf den Aspanggründen und das Wohnhaus auf der Raxstraße. Bis vergangenen Oktober war er außerdem Professor für Entwerfen und Stadterneuerung an der Universität der Künste in Berlin.
Aktuell beginnt Krischanitz mit seinem Schweizer Büro das Headquarter der Zürich Versicherung zu realisieren. Es ist der bisher größte Auftrag seiner Karriere.
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