Als Barbara Stelzl-Marx vor 20 Jahren im tiefsten Winter in Moskau studierte, führte sie der Tipp einer Kollegin auf den Izmaylovo Flohmarkt. Dort gebe es alten russischen Baumschmuck. Mittlerweile hat die Historikerin eine stattliche Sammlung angehäuft – einen Samowar, Stücke aus russischen Märchen, Bären. „Am interessantesten für mich sind aber große und kleine Kosmonauten aus Glas, Zeppeline, auf denen CCCP steht, sowie Kugeln, die die sowjetischen Symbole Hammer und Sichel zeigen“, sagt die Grazer Historikerin.
Eigentlich verblüffend, wurde Weihnachten doch nach der Revolution abgeschafft. „Wobei sich die Regierung ein Schlupfloch offen hielt und die Weihnachtsbräuche auf Silvester verlegte. Es gibt also eine Neujahrstanne und -geschenke.“ Die Indoktrinierung funktionierte so gut, dass für viele Menschen, die im Kommunismus aufgewachsen sind, die christlichen Wurzeln des Festes völlig unbekannt sind.
„Christbaumschmuck wurde natürlich politisch missbraucht, in ihm spiegelt sich immer auch der Zeitgeist“, sagt der Historiker Dieter Bacher vom Ludwig Boltzmann Institut für Kriegsfolgenforschung.
Wie, erfahren Sie in dieser Geschichte.
Beispielsweise war es zu Beginn des 20. Jahrhunderts – in der Zeit der großen Erfindungen – populär, Miniatur-Motorräder, -Autos, -Telefone, ja sogar -Kühlschränke auf den Baum zu hängen.
So weit, so harmlos. Schaut man aber auf den Ersten Weltkrieg erfährt man bei Katja Brauchle, dass der Weihnachtsbaum damals zum deutschen Symbol stilisiert worden war und in den „deutschen Farben“ schwarz-weiß-rot geschmückt wurde. So schreibt es die Münchner Kulturanthropologin in dem Buch Fröhliche Weihnachten, Weihnachten aus Sicht der Wissenschaft (Tectum, 19,95€).
Umgedeuet
Wobei Machthaber in Kriegszeiten ohnedies ihre liebe Not mit Weihnachten und dem christlichen Gedanken vom Frieden auf Erden hatten. Und so wurden wenigstens die Feinde als karikierte Figuren an den Baum gehängt. Heute scheint es uns geschmacklos, eine Weihnachtskarte mit Soldaten oder fliegenden Kugeln zu verschicken. Während des Ersten Weltkrieges war dies aber an der Tagesordnung. Angehörige konnten Mini-Bäume und Christbaumspitzen sogar als Feldpost-Päckchen an die Front schicken.
Pervertiert
Während der NS-Diktatur wurden die Weihnachtsbräuche und Symbole dann komplett pervertiert. Dazu musste Weihnachten aber erst umgedeutet werden: Das Fest wurde zum urdeutschen Brauch stilisiert und vom Glauben so weit wie möglich losgelöst. „Der Baum wurde zu einem weiteren Mittel, Propaganda zu betreiben und der Bevölkerung einzubläuen, dass der Führer das Einzige sei, was man anzubeten hätte“, schreibt Kulturanthropologin Brauchle. So stempelte die Reichspost zu Weihnachten 1937 beispielsweise in Anlehnung an „Christ der Retter ist da!“ Briefmarken mit der Aufschrift: „Unser Führer der Retter ist da!“ ab.
Ab 1933 waren christliche Bilder auf Kugeln passé und machten solchen mit Nazi-Symbolen Platz – Hakenkreuze, Granaten und eine Julschmuck-Serie, die Motive aus der germanischen Sagenwelt verherrlichte. Apropos Julschmuck-Serie: Natürlich hieß der Christbaum längst Jultanne. Dort hing dann angeblich sogar der Kopf des Führers – nachgebildet in Glas.
1943 wurde die Schmuck-Produktion aus Keramik, Holz und Glas verboten. Sowohl Material als auch Arbeiter wurden für das Anfertigen von Kriegsgütern gebraucht. Die deutsche Christbaumfertigung brach zusammen.
Wer nun meint, die Nazis hätten das ideologische Umdeuten gepachtet, irrt. In der DDR waren Christbäume ebenso untragbar: Sie wurden in Schmuckbäume umbenannt. Engel durften weiterhin auf dem Baum hängen, aber nicht so heißen: Sie wurden in „geflügelte Jahresendfigur“ umgetauft. Kein Scherz, aber jahrelang ein Quell für Witze.
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