Nach einem 16-minütigen Eingriff kann das 18 Monate alte Mädchen nun nahezu problemlos hören. "Wenn man per Gentest ermittelt, welches Gen Ursache für die angeborene Hörminderung ist, gibt es neuartige und – wie man sieht – sehr erfolgreiche Therapieansätze", sagt Hofauer. Im konkreten Fall sei ein fehlerhaftes Gen bzw. ein Mangel eines Proteins, das von besagtem Gen produziert wird, Grund für die Taubheit gewesen. Die gesunde Version des Gens wird im Innenohr angesiedelt und gleicht den Mangel aus – "das Kind kann wieder hören". Für Hofauer ein "revolutionärer Schritt".
Auch mit dem Cochlea-Implantat gibt es seit Jahrzehnten "eine unglaublich gute Option, um gehörlose Kinder und Erwachsene wieder hören zu lassen", sagt Hofauer. Die elektronische Hörprothese ist in der Lage, die Funktion des Innenohres zu übernehmen.
Matthias Fenkart sieht solche Behandlungen kritisch: "Für mich ist wichtig, dass die gehörlose Person selbst entscheiden kann, was sie möchte. Dass nicht der Arzt oder die Eltern die Person beeinflussen oder Druck ausüben. Ob man – unter Anführungszeichen – repariert werden will, soll die Entscheidung des Gehörlosen sein." Wesentlich sei, dass das Erlernen der Gebärdensprache nicht unterbunden wird.
Was hat sich für taube Menschen in Österreich verändert?
Richtig aufgebaut fühlt sich die Welt für Matthias Fenkart jedenfalls in den Räumlichkeiten des Schulungszentrums equalizent an, wo er als Prokurist tätig ist. Das Unternehmen setzt sich für gehörlose und schwerhörige Menschen ein. Dieser Tage feiert es sein 20-jähriges Bestehen. Ein Anlass zum Feiern, auch zur Rückschau: Was hat sich für taube Menschen in Österreich verändert?
Im Bildungsbereich gebe es Bemühungen mit Beigeschmack, sagt Fenkart. Gehörlose Kinder würden nicht mehr gescholten, wenn sie in der Schule gebärden. Früher gab es eigene Klassen für Gehörlose, "da war der Zusammenhalt untereinander stark", erinnert er sich. "Man wurde diskriminiert, war aber nicht allein." In heutigen Integrationsklassen, deren Idee er grundsätzlich begrüßt, fehle Gehörlosen dieser Rückhalt. Ohne bilinguale Kindergärten und gebärdensprachkompetente Lehrkräfte, die wissen, wie man mit tauben Kindern umgeht, sieht er kein Potenzial für Verbesserung. Für den gesamten Bildungsweg müssten "mehr Ressourcen zur Verfügung gestellt werden". Positiv sieht Fenkart den digitalen Wandel: "Das Internet mit all seinen Möglichkeiten hat viel für Gehörlose geöffnet."
Hürden müssen gehörlose Menschen aller Altersklassen in einer "oral fixierten Welt", wie Fenkart es beschreibt, nach wie vor überwinden. Verschärft wird die Situation durch einen immensen Mangel an Dolmetscherinnen und Dolmetschern. Umfassende Aus- und Weiterbildungen würden oft daran scheitern: "Wenn ich dafür viele Stunden einen Dolmetscher organisieren muss und mir das nicht leisten kann, muss ich notgedrungen eine andere Ausbildung machen – womöglich mit niedrigerem Abschluss. Man hat nicht die freie Wahl", sagt Fenkart, der sich für einen Rechtsanspruch auf solche Leistungen stark macht.
Barrieren im Kopf abbauen
Auch die soziale Teilhabe leidet: Im Fernsehen gebe es inzwischen Untertitel und akustische Bildbeschreibungen, im Kino seien diese Mangelware. Veranstaltungen, die dolmetschgestützt sind – Fehlanzeige. Diese Benachteiligung hat auch Matthias Fenkarts Leben geprägt: "Man muss immerzu bei den mächtigen Hörende bitten, betteln und kämpfen – in allen Lebenslagen, das kostet Kraft." Gehörlose Menschen würden oft als intelligenzgemindert, stumm, unselbstständig und eingeschränkt leistungsfähig abgestempelt. "Nichts davon ist wahr", sagt Fenkart.
Für die Zukunft wünscht sich Fenkart eine "echt inklusive Gesellschaft". Eine Abkehr vom defizitorientierten Umgang mit Gehörlosen, weniger Berührungsängste vonseiten Hörender: "Die Barrieren sind im Kopf, dort wo die Vorurteile über gehörlose Menschen wohnen." Im Alltag legt er Hörenden mehr Mut zur Gestik ans Herz: "Man darf ruhig auch etwas den Köper zum Verständigen zu benutzen. Das hilft uns Gehörlosen sehr."
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