Wie unser Bauchgefühl politische Entscheidungen beeinflusst

Warum halten Menschen an der Demokratie fest – und welche Regeln des demokratischen Miteinanders erscheinen ihnen selbstverständlich, welche müssen erst erklärt werden? Diesen Fragen widmet sich das Forschungsprojekt INFODEM (Intuitive Foundations of Democracy) an der Central European University. Projektleiter Dr. Alexander Bor, Politikwissenschafter am CEU Democracy Institute in Budapest, will damit den psychologischen Grundlagen der Demokratie auf den Grund gehen.
„Wir wissen aus der psychologischen Forschung, dass Menschen friedliche, gut koordinierte Gruppen schätzen“, erklärt Bor. Normen, die unmittelbar dazu beitragen – etwa das Gewaltverbot oder die Mehrheitswahl eines Anführers – seien für alle leicht nachvollziehbar. Schwieriger wird es, sobald komplexe Strukturen moderner Demokratien ins Spiel kommen: Wahlbehörden, Wahlkreiseinteilungen oder bürokratische Abläufe. „Diese komplexen Normen werden weit weniger verstanden und unterstützt“, so Bor. Auch die intuitive Logik des „Geben und Nehmens“ gerate hier an ihre Grenzen: Was im Alltag als fair empfunden werde, sei im demokratischen Prozess als Stimmenkauf tabu.
Erste Hypothesen
Noch stehen die empirischen Studien des Projekts am Anfang. Geplant sind große Befragungen und Experimente in den USA und Ungarn, ergänzt durch Analysen von Social-Media-Diskursen und einer interaktiven App, die über Wahlrechtsnormen informiert. Erste Hypothesen gibt es jedoch schon: „Menschen, die mehr Gelegenheit hatten, über Demokratie zu lernen, werden auch komplexere Regeln besser verstehen“, weiß Bor. Wahrscheinlich sei, dass ältere, besser gebildete Bürger in etablierten Demokratien ein genaueres Bild von Normen haben.
Gleichzeitig vermutet er, dass es auch in autoritären Staaten oder unter Jugendlichen ohne politische Bildung ein Grundverständnis gibt – zumindest für die elementaren Prinzipien wie Gewaltfreiheit oder Mehrheitsentscheidungen. Die praktischen Konsequenzen von
INFODEM liegen für Bor auf der Hand: „Sobald wir wissen, welche Normen intuitiv und welche das nicht sind, können wir relevante Fragen stellen, etwa ob schwer verständliche Regeln anfälliger für Angriffe sind, oder ob undemokratische Akteure diese Schwachstellen gezielt ausnutzen. “
Das Projekt, gefördert mit einem ERC Starting Grant des Europäischen Forschungsrats, läuft über fünf Jahre. Ziel ist es, herauszufinden, welche demokratischen Werte im Menschen selbst verankert sind – und welche gestärkt werden müssen, damit Demokratie auch in Krisenzeiten Bestand hat.

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