Wie das fahrerlose Auto uns versteht

Wie das fahrerlose Auto uns versteht
Wie das funktioniert, beschäftigt Forscher weltweit. Es geht um Komfort, Sicherheit und Vertrauen.

Nicht nur „durchs Reden kommen die Leut’ zam“, sondern auch durch Blickkontakt und kleine Gesten. Im Straßenverkehr reicht oft ein Nicken aus, um jemandem zu signalisieren, dass man ihn gesehen hat und er sicher die Straße überqueren kann. Was zwischen Menschen normal und alltäglich ist, stellt sich für autonome Fahrzeuge als komplexe Aufgabe dar. Forscher in aller Welt arbeiten intensiv daran, selbstfahrenden Autos beizubringen, wie sie Menschen bestmöglich verstehen und mit ihnen interagieren können.

Rollendes Wohnzimmer

Wie man anhand der Fahrzeugkonzepte sehen kann, die bei jeder größeren Fahrzeug- oder Technologiemesse zu sehen sind, stellen sich die meisten Fahrzeughersteller das Auto der Zukunft als eine Art erweitertes Wohnzimmer vor.

Minimalistische Innenraumdesigns kommen ohne Lenkrad aus, dafür beherrschen riesige Touchscreens den Raum. Mit dem Fahrzeug der Zukunft soll man auch ganz natürlich sprechen können. Gestik und Mimik der Passagiere werden erkannt und richtig interpretiert. Solange Fahrzeuge nicht vollständig autonom unterwegs sind (Level 5, siehe unten), müssen sie aber auch in der Lage sein, die Aufmerksamkeit des Fahrers zu messen, um diesen in bestimmten Situationen wieder in das Verkehrsgeschehen involvieren zu können.

Wie das fahrerlose Auto uns versteht

Wenn man das Lenken dem Auto überlässt, werden riesige Displays für die Bordunterhaltung genutzt.

Bildanalyse

Ein stark wachsendes Ökosystem an Unternehmen versucht momentan, Autos genau jene Fähigkeiten zu verleihen. Die Firma emotion3D aus Wien etwa entwickelt Software zur Bildanalyse. Diese wird beispielsweise dafür eingesetzt, um festzustellen, wohin ein Passagier zeigt, wenn er dem Auto mitteilt: „Lass mich bitte dort aussteigen.“ Außerdem kann damit blitzschnell die Position von Personen im Fahrzeuginnenraum festgestellt werden, um bei einem Unfall Airbags optimiert auszulösen.

Mithilfe der Software kann ein autonomes Fahrzeug außerdem Handsignale eines Polizisten erkennen, der den Verkehr bei einer defekten Ampel regelt. „Dabei muss man immer in globalem Kontext denken“, meint emotion3D-Geschäftsführer Florian Seitner. Gesten können regional und individuell große Unterschiede aufweisen. Bei der Kommunikation mit der Außenwelt seien Kameras und Bilderkennung unterdessen noch ein schwieriges Thema, meint Arno Eichberger vom Institut für Fahrzeugtechnik der TU Graz im KURIER-Interview. „Kameras sind gut beim Identifizieren von Objekten, haben aber in bestimmten Situationen zu wenig Reichweite und sind zu wetterabhängig.“

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Das Konzeptfahrzeug Mercedes-Benz F015 projiziert für Passanten einen Zebrastreifen auf die Straße.

Sprachsteuerung

Großes Potenzial für die Kommunikation zwischen Passagieren und Fahrzeug wird der Sprachsteuerung zugeschrieben. Wie Psychologen aus den USA herausgefunden haben, vertrauen Menschen einem selbstfahrenden Auto mehr, wenn dieses zu ihnen spricht. „Auf Audiosignale reagiert der Mensch auch schneller als auf visuelle Informationen“, schildert Philippe Nitsche vom AIT Center for Mobility Systems. Im Projekt Digibus erforscht er unter anderem, wie Fahrgäste mit einem autonomen Omnibus interagieren. „Vertrauen ist enorm wichtig für den Erfolg des autonomen Fahrens.“ Laut einer Deloitte-Studie aus dem Vorjahr steigt in Österreich zwar das Vertrauen in die Technologie, dennoch haben 41 Prozent der Konsumenten Sicherheitsbedenken.

Lichtsignale

In der Kommunikation mit der Außenwelt sollen künftig verstärkt Lichtsignale zum Einsatz kommen. Beliebte Ansätze, die man auch immer wieder an Konzeptfahrzeugen entdeckt, sind große Displays an der Auto-Vorderseite, die Passanten etwa durch Schrift oder Symbole mitteilen, dass sie sicher die Straße überqueren können.

Das Linzer Ars Electronica Futurelab hat gemeinsam mit dem Autohersteller Daimler ein Konzept entwickelt, das in diesem Fall die Projektion eines Zebrastreifens vor dem Fahrzeug vorsieht – eine Idee, die sich seither weiter verbreitet hat. Die Kommunikation zwischen Mensch und selbstfahrendem Auto mittels Licht erforscht auch das niederösterreichische Unternehmen ZKW, das im Vorjahr um 1,1 Milliarden Euro vom südkoreanischen LG-Konzern übernommen wurde.

Haptik

Neben dem Sehen und dem Hören könnten autonome Fahrzeuge auch durch Fühlen mit Passagieren kommunizieren. Wie Philippe Nitsche vom AIT schildert, sind dabei etwa vibrierende Autositze ein Ansatz, aber es gibt auch ausgefallenere Ideen, etwa das Erzeugen virtueller Oberflächen durch Ultraschall oder gezielte Luftstöße durch eine Gebläsevorrichtung.

Das Grazer Forschungsinstitut Virtual Vehicle koordiniert ein EU-Projekt namens „Trust Vehicle“, in dem verschiedene Interaktionsformen untersucht werden – vor allem in Hinblick auf die Übergabe der Fahrzeugkontrolle zwischen Auto und Mensch. „Gestenerkennung hat bisher am schlechtesten abgeschnitten“, schildert Projektleiter Daniel Watzenig. „Spracherkennung funktioniert derzeit auch noch nicht zuverlässig, aber es gibt deutliche Verbesserungen.“

Boomendes Geschäftsfeld

Die Richtung gehe jedenfalls hin zu einer Kombination von mehreren Interaktionsformen, ist Florian Seitner von emotion3D überzeugt: „Das ist ein riesiges neues Thema für Autohersteller.“ Für kleinere Unternehmen bieten sich dadurch enorme Chancen. Marktforscher sind sich einig, dass gerade die gesamte Automobilbranche kräftig umgekrempelt wird. Autohersteller benötigen eine größere Vielfalt an Zulieferern denn je, um im Wettlauf mit neuen Mitstreitern nicht unterzugehen. Die Google-Tochter Waymo oder Fahrtendienste wie Uber oder Lyft, die sich intensiv dem Thema Robotertaxis widmen, gelten als nicht zu unterschätzende Konkurrenten.

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