Aids: 2,1 Millionen Neuinfektionen pro Jahr
Das Ziel der Weltgesundheitsorganisation WHO ist klar definiert: Die Pandemie – die weltweite starke Ausbreitung – der Immunschwächekrankheit HIV soll bis 2030 beendet werden. Dazu müsste die Zahl der jährlichen Neuinfektionen auf weniger als 500.000 weltweit reduziert werden. Doch ein neuer Bericht der UN-Organisation UNAIDS anlässlich der heute, Montag, in Durban (Südafrika) beginnenden Welt-Aids-Konferenz zeigt: „Seit 2010 stagniert der Rückgang bei den HIV-Neuinfektionen bei den Erwachsenen.“ Weiterhin stecken sich pro Jahr weltweit rund 2,1 Millionen Menschen mit dem Aids-Erreger HIV an.
Zwar gibt es große Erfolge bei den Kindern: Hier gelang es, die jährlichen Neuinfektionen seit 2001 auf 150.000 zu reduzieren (Rückgang um 70 Prozent). Aber das alleine ist zu wenig: „Kommt es zu einem Wiederanstieg der HIV-Neuinfektionen, gerät die Epidemie außer Kontrolle“, sagt UNAIDS-Generaldirektor Michel Sidibe. Zumal „Stagnation“ nicht heißt, dass es keine Veränderungen gibt. Denn während es etwa in mehreren Regionen Afrikas zumindest zu einem leichten Rückgang bei den Neuinfektionen kam (etwa in Ost- sowie im südlichen Afrika um rund vier Prozent), zeigen sich in anderen Regionen alarmierende Zuwächse:
– In Osteuropa und Zentralasien ist die Zahl der HIV-Neuinfektionen zwischen 2010 und 2015 um 57 Prozent gestiegen.
– In der Karibik betrug der Anstieg neun Prozent, im Nahen Osten und in Nordafrika vier Prozent.
Die Ursachen
„Diskriminierung und mangelnde Therapieangebote sind zwei wesentliche Gründe für diesen Anstieg“, sagt der Allgemeinmediziner Horst Schalk, Vizepräsident der Österreichischen Aids-Gesellschaft. Gemeinsam mit einem zweiten Mediziner betreibt er in Wien eine Schwerpunktpraxis für HIV-Patienten. „In vielen Ländern mit steigenden Infektionszahlen gibt es einen verächtlichen und stigmatisierenden Umgang mit den Betroffenen – auch seitens der Ärzte.“ Viele Menschen, die sich eigentlich auf eine HIV-Infektion testen lassen wollen, verzichten darauf – aus Angst vor der Diskriminierung und Stigmatisierung.
Beispiel Drogen
Eine neue, jetzt im Fachmagazin Lancet veröffentlichte Studie zeigt: Die in vielen Ländern oft exzessiven Inhaftierungen von Drogenkonsumenten fördert die HIV-Verbreitung enorm – und auch jene von Hepatitis und Tuberkulose. Denn in den Gefängnis vieler Länder endet der unkontrollierte intravenöse Drogenkonsum oft nicht – und sie wirken wie Inkubatoren für diese Infektionen. Wichtigste Gegenmaßnahmen im Drogenbereich sind Spritzentauschprogramme und Drogenersatztherapien (Substitutionstherapie). Schalk: „Gibt es das nicht, wird die Ausbreitung von HIV in breite Bevölkerungsschichten begünstigt.“
428 waren es 2015, 403 im Jahr davor: Seit dem Jahr 2000 bleibt die Zahl der jährlichen HIV-Neuinfektionen in Österreich auf gleichem Niveau – genauso ist es in Nordamerika sowie generell in West- und Mitteleuropa. Insgesamt leben in Österreich rund 8000 Menschen mit einer HIV-Infektion.
„Praktisch alle Menschen, die in Österreich von ihrer HIV-Infektion wissen, werden auch behandelt“, sagt Allgemeinmediziner und HIV-Spezialist Horst Schalk: „Dadurch sind sie aber nicht mehr infektiös, können also niemanden mehr anstecken.“
Eine niederländische Studie zeigte vor Kurzem: 71 Prozent der dafür untersuchten Menschen mit HIV-Infektionen wurden von Personen angesteckt, „die zu diesem Zeitpunkt noch nicht wussten, dass sie mit HIV infiziert sind“, schreibt die Virologin Elisabeth Puchhammer-Stöckl in der Virusepidemiologischen Information. „Das zeigt eindrücklich, was seit Jahren immer wieder betont wird, dass tatsächlich das bei weitem größte Problem für die Eindämmung der Epidemie die Personen sind, die sich ihres Risikos und ihrer möglichen HIV-Infektion nicht bewusst sind.“
Horst Schalk ergänzt: „Das WHO-Ziel lautet, dass 90 Prozent aller HIV-Infizierten von ihrer Infektion wissen. Davon sind wir auch in Österreich weit entfernt.“ Um dieses WHO-Ziel erreichen zu können, müsse unter anderem der Aids-Test entstigmatisiert werden. „Derzeit ist er an viele Voraussetzungen gebunden: Vorerkrankungen müssen dokumentiert werden, ebenso müsste es ein umfangreiches Aufklärungsgespräch geben. Deshalb bieten viele Internisten oder Allgemeinmediziner den Test nicht an – auch wenn bei ihnen Blutabnahmen für Laboruntersuchungen durchgeführt werden.“
Viele Sozialversicherungen würden einen „Verdacht auf eine HIV-Infektionen“ voraussetzen, um die Kosten für den Test (10 bis 15 Euro) zu übernehmen: „Aber wer will mit so einer Überweisung in ein Labor gehen?“
2,1 Millionen Erwachsene haben sich 2015 mit dem HIV-Erreger neu infiziert.
37 Millionen waren 2015 weltweit mit dem HI-Virus infiziert.
1,1 Millionen starben 2015 an den Folgen von Aids, 2005 waren es noch zwei Millionen.
428 Menschen infizierten sich 2015 in Österreich neu mit dem Aids-Erreger.
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