Tierische Therapeuten aus Peru
Oskar, Samson, Carlos und Asterix nähern sich ihren Besucher an. Sie kreisen sie ein, recken ihre langen Hälse und fixieren ihre Gegenüber mit wachen Augen unter einer buschigen Fellmatte. Wenn die Gäste vorsichtig die Hand zur ersten Berührung ausstrecken, lassen die ansonsten scheuen Tiere auch das über sich ergehen.
Die vier sind Alpacas. Diese mit Kamelen und Lamas verwandten Tiere kommen ursprünglich aus Südamerika, genauer aus Peru und Chile. Sie sind für ihre Sensibilität und Scheu – aber auch für ihre Neugier bekannt. Aufgrund ihrer hohen sozialen Kompetenzen bewähren sich die sympathischen Tiere seit rund 20 Jahren auch als „tierische Therapeuten“.
Bei dieser Form der sogenannten tiergestützten Therapie geht es um viel mehr, als die wollig-flauschigen Alpacas ein bisschen zu streicheln. Sie werden speziell trainiert und helfen den Klienten, soziale Nähe und Erfolgserlebnisse zu erfahren, die ihren Selbstwert steigern. Das verbessert nicht nur ihre sozialen Kompetenzen, sondern auch Aufmerksamkeit und Konzentration.
„Die Tiere reagieren wahnsinnig sensibel. Sie sind für mich wie ein Psycho-Detektor und geben mir als Therapeut Auskunft über den aktuellen Gefühlszustand meiner Klienten, aber auch über die Therapiefortschritte“, sagt Wolfgang Schumayer. Der studierte Mediziner ließ sich zum Therapeuten für tiergestützte Therapie ausbilden und gründete im Vorjahr bei Gföhl (NÖ) sein „Institut für Alpacatherapie und Forschung“.
Verhaltensauffälligkeit
Begrüßt wird dies von Experten wie Kinderpsychiaterin Univ.-Prof. Brigitte Hackenberg, MedUni Wien, und Prim. Karl Zwiauer, Leiter der Kinder- und Jugendheilkunde im Landesklinikum St. Pölten. Die Zahl der verhaltensauffälligen Kinder steigt, auch wenn offizielle Daten fehlen. Zwiauer: „Es gibt eine Verschiebung von körperlichen zu seelischen Erkrankungen. Die Auffälligkeiten sind gestiegen.“
So ein „Problemverhalten“ (das Verhalten schafft dem Betroffenen und seiner Umwelt Probleme und kann zu Entwicklungsstörungen führen, Anm.) kann durch hirnorganische Störungen, traumatische Erlebnisse wie Missbrauch, soziale Verwahrlosung oder durch die Trennung der Eltern entstehen. Jährlich gibt es rund 15.000 Scheidungswaisen, bei denen die Dunkelziffer der Betroffenen besonders groß ist. Zwiauer: „Das Thema ist tabuisiert und ignoriert. Aber die Therapieebene ist mit diesem Problem sehr stark befasst.“ Schumayer spezialisiert sich auf diesen „primär nicht krankheitswertigen Bereich“. Im Projekt „Rehavention“ (Rehabilitation und Prävention) geht es darum, „das Trennungstrauma mit professioneller Hilfe durchzustehen, damit sich nicht ausgeprägte Verhaltensstörungen manifestieren.“
„Tiergestützte Therapie (TGT) ist Beziehungsarbeit“, sagt Therapeutin Birgt Götz. Sie ist immer wieder mit falschen Interpretationen konfrontiert. „Viele glauben, das Tier allein sei der Therapeut.“ Für die Behandlung sei jedoch der Therapeut zuständig. „Das Tier ist für uns wie ein Sozialpartner. Es bringt die Intervention in Gang.“
Unter dem Dachbegriff „tiergestützte Intervention“ wird mehreres zusammengefasst. Für die Konsumenten ist die Unterscheidung und Ausbildungsqualität nicht immer ersichtlich. Für die TGT gibt es einige Kriterien: Die Ausbildung wird mit einem Diplom abgeschlossen, ein Therapieziel muss definiert und die Arbeit dokumentiert werden.
Daneben gibt es auch die sogenannte „tiergestützte Aktivität“ (TGA). Dazu zählen u. a. „Kuscheltierpädagogik“, etwa in Altersheimen, aber auch Ergo- und Physiotherapie mit Hilfe von Tieren, etwa die Hippotherapie mit Pferden.
Der Einsatz von Tieren ist ein anerkanntes Behandlungstool. Sie werden zur Prävention ebenso genutzt wie als ergänzende Maßnahme bei psychischen Erkrankungen, etwa Depressionen, Ängste, Burn-out und eben Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern (ADHS-Syndrom etc.). Ein wichtiges Einsatzgebiet sind tiergestützte Therapien auch für die Behandlung von Menschen mit körperlichen oder geistigen Handicaps. „Damit kann man sehr gut Stress abbauen und Anspannungen lösen, etwa bei Spastikern oder Menschen mit Downsyndrom.“
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