Buhl-Aigner: Überlegen Sie, welchen Zweck das Smartphone erfüllen soll. Geht es um Erreichbarkeit in Notfällen? Dann reicht ein nicht-smartes Tastenhandy. Geht es um Spiele? Dann kaufen Sie Spielzeug. Warten Sie mit dem ersten eigenen Smartphone, so lange Sie können. Ein „Familien-Smartphone“, das gemeinsam im Wohnzimmer genutzt wird, ist ein Zwischenschritt, der Ihrem Kind digitalen Kontakt zu Freunden ermöglicht.
Wie sieht es etwa mit einer Smartwatch aus?
Ich rate davon ab. Smarte Geräte am Handgelenk bewirken eine frühe technische Prägung und Eltern gewöhnen sich an die Überwachungsmechanismen. Bewusste Nutzung sieht anders aus.
Ist es sinnvoll, die Bildschirmzeit zu kontrollieren?
Ja, unbedingt. Sorgen Sie zusätzlich dafür, dass die Geräte zu Hause nicht rund um die Uhr verfügbar sind. Treffen Sie eine Nutzungsvereinbarung für die ganze Familie mit handyfreien Zeiten und Orten. Und verlassen Sie sich nicht auf die Kindersicherung – die meisten Kinder lernen schnell, wie man die Bildschirmzeit trotz Schutz verlängern kann. Es gibt keinen 100-prozentigen Schutz.
Was sind Warnsignale, dass das Kind zu viel Zeit am Handy verbringt?
Schwierigkeiten beim Abdrehen, häufige Diskussion um Bildschirmzeit, übermäßige Gereiztheit, wenig Interesse an bildschirmfreien Aktivitäten, dauernde Beschäftigung mit Spiel- oder App-Inhalten, Schwierigkeiten beim Einschlafen und schlechter Schlaf, Müdigkeit untertags, abfallende Leistung in der Schule, sozialer Rückzug im analogen Leben.
Wie sollten Eltern reagieren?
Zuerst Zugang zum und Zeit am Gerät stark und konsequent regulieren. Wählen Sie Konsequenzen, die unangenehm sind, etwa Erledigungen im Haushalt, aber nicht das Gerät zum Hauptpunkt der Aufmerksamkeit machen. Falls Sie über mehrere Monate extreme Nutzungszeiten bemerken, sich das Verhalten Ihres Kindes stark verändert und es trotz Konsequenzen keine veränderte Nutzung zeigt, holen Sie sich Hilfe. Ich empfehle Beratungsstellen, die auf Mediensucht bzw. Suchtberatung spezialisiert sind.
Was gilt es bei sozialen Medien zu beachten?
Es gibt derzeit keinen gesetzlichen Rahmen (siehe oben). Die Nutzung von Tiktok empfehle ich wegen der hohen Suchtgefahr und extremen Inhalte derzeit gar nicht, Instagram frühestens ab 14 und Achtung bei Themen rund um Körperkult, Ernährung, Beauty, Fitness, aber auch Gewaltinhalten. Zusätzlich immer Jugendschutzeinstellungen aktivieren. Hilfreich ist, wenn Eltern die Apps selbst auch nutzen und Gespräche über soziale Netzwerke in den Familienalltag aufnehmen.
Das Smartphone ist nicht per se schlecht – wie nutzt man seine positiven Seiten?
Smartphones haben unendlich viele Funktionen, die uns den Alltag erleichtern und für Unterhaltung sorgen. Aus Studien wissen wir jedoch, dass smarte Geräte für Babys und Kleinkinder gravierende Auswirkungen auf die kognitive, emotionale und motorische Entwicklung haben, und bei Jugendlichen durch soziale Netzwerke das Wohlbefinden und die psychische Gesundheit leiden. Eltern haben auch im Internet eine Aufsichtspflicht und Kinder und Jugendliche brauchen unsere Begleitung. Sprechen Sie mit Ihren Kindern über digitale Medien, sehen Sie sich Apps und Spiele an, die Ihre Kinder nutzen. Spielen Sie eine Runde mit oder melden Sie sich auch auf Snapchat an. Probieren Sie gemeinsam witzige oder schlaue Apps aus oder spielen Sie ein Familien-Turnier an der Spielkonsole. Je normaler der Umgang mit Geräten, Internet und Spielen ist, und je besser Sie sich selbst auskennen, desto einfacher wird die Regulierung. Ich verspreche Ihnen, Sie werden gemeinsam viel Lustiges und Spannendes entdecken.
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