Am Anfang war die Schleppe. Der einzige, bis heute erhaltene Teil von Kaiserin Elisabeths Hochzeitskleid - und damit auch das wichtigste Puzzlestück, das Rätsel um ihr Kleid zu lüften. Denn obwohl Sisi wohl die berühmteste Braut ihrer Zeit war, weiß man bisher eigentlich nicht genau, in welchem Kleid sie 1854, bei ihrer Hochzeit mit Kaiser Franz Joseph, den Gang zum Altar schritt.
Das Problem: Die Wiener Augustinerkirche, in der die Trauung stattfand, war damals noch durch einen geschlossenen Gang mit der Hofburg verbunden. Und obwohl die Feierlichkeiten insgesamt zehn Tage andauerten und sich das junge Paar mehrfach öffentlich seinem Volk zeigte, fand die Hochzeit somit hinter verschlossenen Türen statt. Ohne Vertreter der Presse, ohne Zeichner, nur mit geladenen Gästen.
Ein Grund, warum es keine zuverlässigen Darstellungen des Ereignisses gibt - und die Beschreibungen ihres Prunkoutfits deutlich auseinandergehen. Während in den einen Überlieferungen von einem weißen Kleid mit Goldstickerei die Rede ist, berichten andere von Gold- und Silberstickerei. Wieder andere beschreiben ein deutlich schlichteres Kleid: ohne Schleppe, ohne Stickerei und hochgeschlossen.
Puzzlestücke
Der Auflösung des Rätsels ist man nun deutlich näher. Monica Kurzel-Runtscheiner, Direktorin der Wagenburg in Schönbrunn, wo die Schleppe ausgestellt ist, erhielt im Mail von einer spanischen Besucherin eine spannende Information. Diese, selbst eine Forscherin auf dem Gebiet, wies auf ein weitgehend unbekanntes Porträt der jungen Kaiserin in einem Kleid samt Schleppe hin, die der ausgestellten verdächtig glich. Als Kurzel-Runtscheiner das Bild, das im Landesmuseum in Opava (Tschechien) hängt, in guter Qualität zu Gesicht bekam, war klar: Es handelt sich um ein und dieselbe Schleppe.
Ist nun also auch das Kleid, in dem Sisi auf dem Bild zu sehen ist, das mysteriöse Hochzeitskleid? Es gibt nämlich einen Schönheitsfehler an der Sache: Das Gemälde wurde von seinem Maler Joseph Neugebauer auf das Jahr 1957 datiert, also drei Jahre nach der Hochzeit. Zudem war er kein Hofmaler. Also kann ausgeschlossen werden, dass die junge Sisi ihm Modell stand. Darüber hinaus gibt es ein dazugehöriges Porträt von Franz Joseph - und dieser trägt darauf nachweislich nicht sein Hochzeitsoutfit.
Schleppe
Diese war über hundert Jahre in Besitz der Nachkommen von Elisabeths Lieblingstochter Marie Valerie. 1989 wurde sie vom KHM erworben und ist seit 2008 dauerhaft in der Wagenburg ausgestellt.
Hochzeit
Am 24. April 1854 fand die Trauung statt. Die gebürtige Wittelsbacherin Elisabeth war 16, der Habsburger Franz Joseph war 23. Ihre Mütter, Erzherzogin Sophie und Herzogin Ludovika in Bayern waren Schwestern.
Theorien
Es spricht aber auch einiges dafür, dass es sich um ein Bild des echten Brautkleids handelt: Neugebauer war in jüngeren Jahren der Zeichenlehrer der Kinder des Erzherzog Karl von Österreich-Teschen gewesen. Eine Vermutung ist daher, dass dem Maler über diese Verbindung ein Blick aufs kaiserliche Brautkleid gewährt wurde, damit er möglichst originalgetreue Skizzen anfertigen könne.
Das mutmaßliche Brautkleid wurde nun im Auftrag der Wagenburg rekonstruiert, die goldenen Stickereien dazu detailgetreu mittels aufwändigem Druckverfahren auf den Stoff gebracht, um für die Besucher deutlich sichtbar zu machen, wo das Original endet und die Reproduktion beginnt. Beides, Kleid samt Schleppe und wiederentdecktem Porträt sind nun erstmals gemeinsam ausgestellt, noch bis November kann man sich also im Museum sein eigenes Bild vom sogenannten Mysterykleid machen.
Strenge Schwiegermutter
In der langen Geschichte des Brautkleids gibt es aber noch weitere Puzzlestücke: Das Brautinventar der Kaiserin weist nämlich ein Kleid als Hochzeitskleid aus, das mit jenem auf dem Porträt nicht übereinstimmt. Es wird als silbernes Kleid mit silbernem Manteau beschrieben - ohne Stickereien. Gleich darunter in der Auflistung ist aber eines aus "goldbesticktem Tüll samt goldbestickter Schleppe" angeführt, was wiederum genau auf das Wagenburg-Exemplar passen würde.
Welches trug Sisi nun bei der Trauung? Hier könnten die Tagebücher ihrer Schwiegermutter, der Erzherzogin Sophie, Aufschluss geben. Diese beschreibt nämlich, wie eine Woche vor Elisabeth bereits deren Aussteuer in Wien eintraf und von ihr begutachtet wurde. Sophie entschied in Folge, welches Kleid die junge Kaiserin bei welchem Programmpunkt zu tragen hätte. Es ist also durchaus denkbar, dass Sophie die Pläne Elisabeths durchkreuzte und kurzerhand ein anderes Kleid zum Brautkleid machte, als laut Inventar vorgesehen.
Bis es eindeutige Augenzeugenberichte aus jenem Tag in der Augustinerkirche gebe, lässt sich das Rätsel also nicht endgültig lösen. Sollten diese Dokumente einmal auftauchen, wird die Geschichte rund um Sisis Mysterykleid also weitergeschrieben. Eines ist jedenfalls gewiss: Die Schleppe, seit 1989 im Besitz der Wagenburg, war definitiv ein Teil des Brautkleids. So wurde es über die Generationen der Nachkommen von Sisis Lieblingstochter Valerie, in deren Familie die Schleppe über 100 Jahre weitervererbt wurde, überliefert.
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