Mann mit 26 Tumoren "effektiv geheilt"
Es ist ein Einzelfall - und Einzelfälle dürfen nie verallgemeinert werden, so ein Grundsatz in der medizinischen Forschung. Trotzdem sehen viele Ärzte die Erfolgsgeschichte des Krebspatienten Mike Chettle aus Virginia als gutes Beispiel für das Potenzial neuer Krebstherapien. Seine Geschichte wurde jetzt auf dem weltgrößten Krebskongress, dem ASCO in Chicago, vorgestellt. Mike Chettle wurde von den Ärzten keine Überlebenschance mehr gegeben, er galt als "austherapiert" - an 26 Stellen seines Körpers wurden Tumoren diagnostiziert. Heute sind die meisten Tumoren dank neuer Therapien bereits verschwunden. Die Ärzte sprechen davon, das er "effektiv geheilt" sei.
Vor fünf Jahren wurde bei Chettle Darmkrebs im fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert. Trotz Operation und Standardbehandlungen wie Chemotherapie breiteten sich die Krebszellen auf andere Organe aus, etwa auf Knochen, die Leber sowie den gesamten Bauchraum.
"Konnte Hals nicht mehr bewegen"
2014 hatten sich die Krebszellen in seinem Körper bereits so stark vermehrt, dass er an chronischen starken Schmerzen litt. "Ich humpelte nur mehr, konnte nicht einmal mehr meinen Hals bewegen", wird er in einem Bericht von The Telegraph zitiert.
Chettle bekam mehrere Zyklen Chemotherapie - ohne Erfolg. Er hatte alle konventionellen Behandlungsmethoden ausgeschöpft, es ging bei ihm nur mehr um schmerzlindernde Maßnahmen.
Doch dann schlug ihm sein Onkologe vor, an einer Studie am John Hopkins Kimmel Cancer Centre in Baltimore, Maryland, teilzunehmen.
So wirkte das Medikament
Chettle bekam das Medikament Pembrolizumab). Dieses und einige andere ähnliche Präparate tricksen einen Mechanismus der Krebszellen aus: Kommt ein Tumor mit Abwehrzellen des Körpers in Kontakt, kann er mithilfe eines speziellen Moleküls (PD-1) die Abwehr lahmlegen und bremsen. Die Abwehrzellen erkennen den Tumor nicht mehr als fremd, er hat sich quasi getarnt.
Der Antikörper Pembrolizumab kann aber diese Bremse lösen – und das Immunsystem erkennt die Krebszellen wieder.
Innerhalb von acht Wochen gingen die Schmerzsymptome stark zurück. Und nach einigen Monaten konnte er auch wieder bedeutend besser gehen.
Jetzt, fast zwei Jahre danach, sind fast alle Tumoren verschwunden. Und die Ärzte hoffen, die Behandlung demnächst absetzen zu können.
Wie lange die Wirkung tatsächlich anhält, und ob von einer dauerhaften Heilung gesprochen werden kann, ist aber noch unklar. Viele Experten gehen deshalb mit dem Begriff "Heilung" sehr zurückhaltend u.
Nicht jeder spricht an
Der Darmkrebs von Mike Chettle war durch eine spezielle genetische Veränderung gekennzeichnet - diese Patienten scheinen auf das Medikament besser anzusprechen.
Und genau das ist derzeit noch das Problem: Nur ein Teil der Krebspatienten - rund jeder Fünfte - spricht derzeit sehr gut auf die neuen Immuntherapien an. Doch beim ASCO-Kongress wurden jetzt Daten präsentiert, wonach die Kombination mehrerer Präparate - alter und neuer - die Ansprechrate deutlich verbessern könnte.
Eine der aufsehenerregendsten Studien, die dazu beim ASCO präsentiert wurde, ware eine zum Multiplen Myelom, einem Krebs der Knochenmarkszellen: Durch die kombinierte Verabreichung einer neuen Immuntherapie und zweier älterer Präparate sank das Risiko, an der Erkrankung in einem bestimmten Zeitraum zu sterben, um 61 Prozent.
Mike Chettle jedenfalls hat sein Leben zurückgewonnen: "Es ist ein Segen für mich, dass ich diese guten Ärzte habe und an der Studie teilnehmen konnte."
Eine Erfolgsgeschichte aus Österreich und wie die Immuntherapie funktioniert
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