Medizin-Mythen im Faktencheck
Sogar Liebeskummer ist heutzutage Thema für kritische Mediziner wie Univ.-Prof. Gerald Gartlehner. Dagegen soll nämlich ein Präparat Abhilfe schaffen. Als Beleg wird eine Studie angeführt, in der erhoben wurde, dass es teilnehmenden jungen Frauen nach sechs Wochen Liebeskummerpillen-Konsum besser ging.
Dem Leiter des Info-Service-Portals medizin transparent ist das zu wenig. "Abgesehen davon, dass es den meisten Betroffenen nach sechs Wochen von alleine etwas besser geht, fehlte in dieser Studie eine Kontrollgruppe." Diese sowie die Teilnehmerzahl sind wesentliche Kriterien, um die Seriosität von Studien beurteilen zu können. Fundierte Informationen werden in einer komplexen Welt immer wichtiger. Gerade im Gesundheitsbereich, wo die Wahrnehmung der Konsumenten durch Dr. Google und Marketing leicht verzerrt werden kann. Viele Menschen sind skeptisch, was man überhaupt noch glauben soll und kann.
Informationsbedürfnis
Dieses Bedürfnis merke man auch bei medizin transparent immer stärker, erklärt Gartlehner. Er leitet an der Donau-Universität Krems das Department für Evidenced Based Medicine und Epidemiologie, die 2011 gegründete Plattform ist dort beheimatet. Finanziert von Bundesgesundheitsagentur und Land NÖ, kann jeder kostenlos fundierte Infos zu gängigen Mythen, Behandlungsmethoden und Medikamenten erfragen. 60.000 Zugriffe verzeichnet das Portal monatlich, Tendenz steigend. "Mit der Beantwortung der Fragen kommen wir mittlerweile kaum nach."
Dauerbrenner sind Themen rund um Ernährung, Nahrungsergänzungsmittel, Krebs und Impfungen. "Vieles ist sehr emotional besetzt. Mit manchen Dingen beschäftigen wir uns oft und sehr intensiv." Das Zusammentragen relevanter Informationen braucht allerdings Zeit. "Wenn es schnell geht, schaffen wir drei Anfragen pro Woche. Im Schnitt beansprucht eine Anfrage aber 25 bis 30 Stunden."
Strenge Richtlinien
Die Basis dafür liefern Daten aus renommierten Fachmagazinen und Datenbanken, mit denen kooperiert wird. Die Plattform ist auch eine Außenstelle der österreichischen Vertretung der Cochrane Collaboration. Dieses weltweite Netzwerk aus Wissenschaftlern arbeitet nach strengen Richtlinien, nach denen medizinische Therapien bewertet werden. Es verfügt über einen Pool aus rund 5000 Meta-Analysen (siehe Grafik), die bei der Bewertung eine wichtige Rolle spielen. "Meta-Studien gelten als verlässlichste wissenschaftliche Evidenz", erklärt Gartlehner. Bei kleineren Studien könne es hingegen oft zu Zufallsschwankungen kommen. Und nicht zuletzt ist es auch bei wissenschaftlichen Studien wichtig, ein wenig zwischen den Zeilen lesen zu können. "In der Wissenschaft ist selten alles ganz klar, meist gibt es Unsicherheiten und die Wahrheit liegt in einem breiteren Spektrum."
Lesen Sie ab Montag, regelmäßig auf kurier.at/medizinmythen, wie Experten Gesundheitsmythen bewerten.
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