Erstmals gibt es beim diesjährigen, weltgrößten Kongress für Parodontologie und Implantologie "EuroPerio11" einen Schwerpunkt dazu. "Das ist ein großer Fortschritt." Der Kongress findet von Mittwoch bis Samstag in Wien statt.
Hormonrezeptoren gibt es in jedem Gewebe
Wichtig zu wissen: Hormone steuern sehr viele Abläufe im Körper. "Es gibt fast in jedem Gewebe Hormonrezeptoren, so auch in der Mundschleimhaut, in den Speicheldrüsen und sogar im Kiefergelenk", sagt die Gender-Expertin. Das Gewebe der Mundschleimhaut ist zudem höchst ähnlich jener der Vagina aufgebaut.
Es sind vor allem Entzündungen, die durch die hormonellen Veränderungen ausgelöst werden. In den mittleren Lebensjahren merken etwa viele Frauen, dass ihre Haut generell trockener wird, berichten aber auch von vaginaler Trockenheit. "Im Mund beobachten wir aufgrund der immer dünner werdenden Mundschleimhaut eine erhöhte Empfindlichkeit für mechanische und thermische Schäden", betont Bruckmann. "Sie berichten auch über geschmackliche Veränderungen dadurch. Frauen schmecken in der Perimenopause deutlich weniger süß."
Weniger Speichel wird produziert
Die Folgen der verringerten Speichelproduktion: "Das Kariesrisiko erhöht sich, weil die Nahrung nicht mehr so gut weggespült werden kann. Ebenso stehen weniger schützende Enzyme aus dem Speichel zur Verfügung.“ Auch nachts könne der Rachenraum durch veränderte Schlafgewohnheiten (geöffneter Mund durch Schnarchen etwa) austrocknen.
Auswirkungen durch Hormonschwankungen zeigen sich allerdings nicht erst rund um die Wechseljahre, betont Bruckmann. "Empfindsame Frauen nehmen sicherlich auch wahr, dass sich die Qualität der Mundschleimhaut im Lauf ihres Zyklus ändert."
Der Einfluss beginnt in der Pubertät
Der Einfluss auf die Mundgesundheit beginnt jedoch noch früher, in der Pubertät. Neben den Hormonschwankungen gibt es bei Jugendlichen noch andere durch den Umbau bedingte Faktoren. "Es ist immer ein multikausales Geschehen: Der Schlaf-Wachrhythmus ändert sich, die Ernährungsgewohnheiten sind teilweise abstrus, viele beginnen zu rauchen und lehnen elterliche Ratschläge sowieso ab." Allerdings sei bekannt, dass durch den Anstieg von Östrogen tatsächlich weniger weiße Blutkörperchen (Leukozyten), ein wesentlicher Teil des Immunsystems, patroullieren.
Auch Männer sind betroffen
Im Übrigen sind auch Männer im Lauf ihres Lebens nicht vor Veränderungen ihrer Mundschleimhaut gefeit. Sie leiden zwar nicht so sehr unter den Hormonschwankungen, sind aber von Parodontitis, also Zahnfleischentzündungen, weltweit sogar häufiger betroffen als Frauen. "Das hat sehr viel damit zu tun, dass Männer seltener zu Vorsorgeuntersuchungen und zum Zahnarzt gehen", sagt Bruckmann. Sie haben ebenso in Summe mehr Risikofaktoren in puncto Mundgesundheit, Stichwort Rauchen und Alkoholkonsum.
Dazu kommt: "Die beiden am häufigsten verschriebenen Medikamente in Österreich, etwa gegen Bluthochdruck, Antidiuretika zur Entwässerung sowie Antidepressiva, verursachen alle Mundtrockenheit."
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