Wie hormonelle Veränderungen im Lebenslauf die Zahngesundheit beeinflussen

Beautiful smile
Hormonelle Veränderungen zwischen Pubertät und Menopause können Auswirkungen auf die Zahngesundheit haben. Das unterschätzte Risiko wird erstmals bei weltgrößten Parodontologie-Kongress in Wien diskutiert.

Jedes Kind kostet der Mutter einen Zahn: Der Spruch stammt zwar aus alten Zeiten und ist heute überholt. Hormonelle Schwankungen im Leben von Frauen haben allerdings auch Einflüsse auf die Zahngesundheit - und das nicht nur während der Schwangerschaft. Sondern auch in anderen Lebensphasen. 

Die Einflüsse daraus auf Zähne und Mundgesundheit rücken erst seit einigen Jahren in den Fokus der Medizin: "Wenn sich der Hormonspiegel ändert, kommt es zu Einflüssen auf alle hormonsensitiven Gewebe. Lange war unterbelichtet, dass auch das Zahnfleisch ein hormonsensitives Gewebe ist", erklärt Corinna Bruckmann, Oberärztin an der Abteilung für Parodontologie an der MedUni Wien.

Erstmals gibt es beim diesjährigen, weltgrößten Kongress für Parodontologie und Implantologie "EuroPerio11" einen Schwerpunkt dazu. "Das ist ein großer Fortschritt." Der Kongress findet von Mittwoch bis Samstag in Wien statt.

Hormonrezeptoren gibt es in jedem Gewebe

Wichtig zu wissen: Hormone steuern sehr viele Abläufe im Körper. "Es gibt fast in jedem Gewebe Hormonrezeptoren, so auch  in der Mundschleimhaut, in den Speicheldrüsen und sogar im Kiefergelenk", sagt die Gender-Expertin. Das Gewebe der Mundschleimhaut ist zudem höchst ähnlich jener der Vagina aufgebaut.  

Es sind vor allem Entzündungen, die durch die hormonellen Veränderungen ausgelöst werden. In den mittleren Lebensjahren merken etwa viele Frauen, dass ihre Haut generell trockener wird, berichten aber auch von vaginaler Trockenheit. "Im Mund beobachten wir aufgrund der immer dünner werdenden Mundschleimhaut eine erhöhte Empfindlichkeit für mechanische und thermische Schäden", betont Bruckmann. "Sie berichten auch über geschmackliche Veränderungen dadurch. Frauen schmecken in der Perimenopause deutlich weniger süß."

Weniger Speichel wird produziert

Die Folgen der verringerten Speichelproduktion: "Das Kariesrisiko erhöht sich, weil die Nahrung nicht mehr so gut weggespült werden kann. Ebenso stehen weniger schützende Enzyme aus dem Speichel zur Verfügung.“ Auch nachts könne der Rachenraum durch veränderte Schlafgewohnheiten (geöffneter Mund durch Schnarchen etwa) austrocknen. 

Auswirkungen durch Hormonschwankungen zeigen sich allerdings nicht erst rund um die Wechseljahre, betont Bruckmann. "Empfindsame Frauen nehmen sicherlich auch wahr, dass sich die Qualität der Mundschleimhaut im Lauf ihres Zyklus ändert."

Der Einfluss beginnt in der Pubertät

Der Einfluss auf die Mundgesundheit beginnt jedoch noch früher, in der Pubertät. Neben den Hormonschwankungen gibt es bei Jugendlichen noch andere durch den Umbau bedingte Faktoren. "Es ist immer ein multikausales Geschehen: Der Schlaf-Wachrhythmus ändert sich, die Ernährungsgewohnheiten sind teilweise abstrus, viele beginnen zu rauchen und lehnen elterliche Ratschläge sowieso ab." Allerdings sei bekannt, dass durch den Anstieg von Östrogen tatsächlich weniger weiße Blutkörperchen (Leukozyten), ein wesentlicher Teil des Immunsystems, patroullieren.

Auch Männer sind betroffen

Im Übrigen sind auch Männer im Lauf ihres Lebens nicht vor Veränderungen ihrer Mundschleimhaut gefeit. Sie leiden zwar nicht so sehr unter den Hormonschwankungen, sind aber von Parodontitis, also Zahnfleischentzündungen, weltweit sogar häufiger betroffen als Frauen. "Das hat sehr viel damit zu tun, dass Männer seltener zu Vorsorgeuntersuchungen und zum Zahnarzt gehen", sagt Bruckmann. Sie haben ebenso in Summe mehr Risikofaktoren in puncto Mundgesundheit, Stichwort Rauchen und Alkoholkonsum. 

Dazu kommt: "Die beiden am häufigsten verschriebenen Medikamente in Österreich, etwa gegen Bluthochdruck, Antidiuretika zur Entwässerung sowie Antidepressiva, verursachen alle Mundtrockenheit."

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