Wechseljahre im Wandel

Frau um die fünfzig im Laufoutfit in einem Park schaut auf die Uhr
Viele Frauen fühlen sich in den Wechseljahren schlecht beraten. Hohe Medikamentenraten und neue Forschung zeigen: Es braucht endlich eine zeitgemäße Frauenmedizin. Ein Gastkommentar von Prof. DDr. Johannes Huber.

Vor Kurzem berichtete DER SPIEGEL in einer Coverstory über die Wechseljahre. Bücher zu diesem Thema erklimmen die Bestsellerlisten, betroffene Frauen gründen zunehmend Selbsthilfegruppen. Die Menopause ist ein gesellschaftliches Thema geworden. Viele Frauen wollen die durch Beschwerden verlorenen Lebensjahre nicht mehr hinnehmen. Dennoch fühlt sich laut einer Umfrage jede dritte Frau schlecht über die Wechseljahre informiert. Bei Therapieoptionen kritisieren sogar 50 Prozent die Beratungsqualität (Stute P et al. Arch Gynecol Obstet 2022; 306(2): 513–521). Gleichzeitig stellt sich die Frage, ob Universitäten, in denen das Fach gynäkologische Endokrinologie ums Überleben kämpft, Forschung und Ausbildung zu diesen Themen noch ausreichend gewährleisten. Ein Blick auf die Verschreibungsraten zeigt: Die Lebensqualität von Frauen in der Lebensmitte ließe sich deutlich verbessern. Die Verordnung von Psychopharmaka verdoppelt sich im Klimakterium (Sator, Wien Klin Wochenschr. 21;111(10):40).

Antihypertensiva, Schmerzmittel gegen Gelenks- und Weichteilschmerzen werden häufiger verschrieben. Diese Beispiele zeigen, welchen Einfluss die Geschlechtshormone der Eierstöcke – die um die Menopause weniger oder gar nicht mehr produziert werden – auf viele Organsysteme haben.

Mehr Gene als Männer

Frauen besitzen etwa tausend Gene mehr als Männer. Ein Drittel ihres Genoms wird anders reguliert. Im Gegensatz zum einen männlichen Hormon (Testosteron) produzieren die Eierstöcke drei Hormongruppen, die in unterschiedliche Metabolite umgewandelt und zeitlich verschieden freigesetzt werden. Sie beeinflussen das Immunsystem, den Herz-Kreislauf, Gelenke und Knochen, den Stoffwechsel, zahlreiche Neurotransmitter im Gehirn, ebenso wie Haut und Augen. Zudem tragen sie zum Anstieg entzündlicher Prozesse in der zweiten Lebenshälfte bei – der sogenannten „silent inflammation“, einer chronischen Entzündung, die den Alterungsprozess beschleunigt.

Das alles müsste bei der Beratung und Behandlung der klimakterischen Symptome berücksichtigt werden. Zu meinen, man verschreibt irgendein Hormon und das Problem wäre gelöst – entspricht nicht mehr dem Wissensstand der Zeit, dem sich aber auch die Bildungsinstitutionen der Republik öffnen müssten. Man kann Begriffe wie „gender“ und „Frauenmedizin“ nicht immer wieder bemühen und dabei das übersehen, was sich klinisch und gynäkologisch dahinter verbirgt. Damit macht man die Frauengesundheit nicht besser.

Abgesehen von den neuen Forschungsthemen der Frauenheilkunde, zu denen die Epigenetik und die mRNA Biologie gehören, die sich gerade vorbereiten, das Verständnis der gesamten Heilkunde zu verändern und die natürlich auch für die Frauengesundheit von noch nicht absehbarer Bedeutung sind. Gefordert sind jene, die für Forschung und klinische Umsetzung dieses Wissens in unserem Land verantwortlich sind - videant consules!

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