Diagnose Darmkrebs: Mit Humor gegen das Tabu

Monika Ferlitsch
Darf man dem Feind im eigenen Körper auch mit Humor begegnen? Man soll sogar, sagt Johanna Wagmeier, die ihre eigene Erkrankung in einem Buch aufgearbeitet hat.

Johanna Wagmeier war 35 Jahre alt, Mutter von zwei Kleinkindern, Vollblutlehrerin an einem Gymnasium – kurz: mitten im Leben –, als sie Blut in ihrem Stuhl entdeckte. An das Schlimmste wollte sie in diesem Moment nicht denken. „Google sagt ja immer Krebs, ich dachte: Sicher nicht bei mir!“, erinnert sie sich. „Dass bei der Koloskopie ein großer Tumor zu sehen war, hat selbst den Arzt überrascht.“ Einer ihrer ersten Gedanken nach der Diagnose Darmkrebs: „Werde ich meine Kinder aufwachsen sehen? Es war damals noch nicht klar, ob er heilbar ist.“

Flucht nach vorne

Drei Jahre, eine Operation sowie eine Strahlen- und Chemotherapie später ist die Steierin in Remission. Das bedeutet, dass aktuell keine Krebszellen mehr in ihrem Körper nachgewiesen werden können. Wagmeier unterrichtet wieder an ihrem Gymnasium und muss nur noch ein Mal im Jahr zur Nachsorge. Dennoch: Die Erkrankung hat Spuren hinterlassen und bestimmt immer noch große Teile ihres Alltags.

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Wagmeier: „Wenn es Probleme mit der Verdauung gibt, sage ich: Mein Darm und ich haben eine Beziehungskrise."

Zum Beispiel, wenn sie sich nicht längere Zeit an einem Ort ohne Toilette aufhalten kann. „Als erwachsener Mensch zu sagen, ich mache mir manchmal in die Hose, ist nicht leicht. Viele Betroffene ziehen sich zu Hause zurück“, weiß die 38-Jährige. Wagmeier hat sich für einen radikal ehrlichen Umgang entschieden. „Ich sage zum Beispiel: Ich kann nicht mit dir mit Sekt anstoßen, weil Alkohol in Kombination mit Kohlensäure dazu führt, dass ich den ganzen Abend am Klo verbringen muss. Das kostet mich weniger Energie, als etwas zu verbergen. Die meisten können gut damit umgehen und sind gerne bereit, Rücksicht zu nehmen.“

Nur mit Offenheit könnten Tabus gebrochen werden, ist Wagmeier überzeugt. Und Darmkrebs ist – obwohl immer mehr jüngere Menschen erkranken (siehe unten) – eben immer noch ein Tabuthema, über das verhältnismäßig wenig geredet werde. „Ich möchte gerne mit Darmkrebs da hin, wo wir jetzt schon mit Brustkrebs sind“, sagt die Steirerin. „Bei den vielen Erfahrungsberichten über Krebs fehlt mir Darmkrebs ein bisschen.“

Selbstironie als Ventil

Also hat sie ihre eigene Geschichte aufgeschrieben. „Unter der Gürtellinie“ heißt das Buch, das soeben erschienen ist. Untertitel: „Mit Humor gegen den Tumor.“ Wagmeier, die Chemie und Deutsch unterrichtet, erzählt darin etwa von einem Arztgespräch, in dem sie spaßhalber fragte, ob Analsex zu einer früheren Diagnose geführt hätte. Die Antwort: „Wahrscheinlich schon, aber wenn ich das so auf meine Homepage schreibe, dann wirkt das unseriös.“

Darf man über Krebs Witze machen? Ja, findet die zweifache Mama. „Ich habe in den vergangenen drei Jahren genug geweint, ich möchte es mir auch erlauben, darüber zu lachen. Selbstironie hat mir unglaublich geholfen. Auch wenn das nicht jeder verstehen wird: Für mich ist das ein Ventil, über das ich meinen Frust loswerden kann.“

Ihr Buch soll auch Angehörigen dabei helfen, die Krankheit besser zu verstehen. Für ihre beiden Kinder, heute 5 und fast 7, sind Fachbegriffe wie „Stoma“ (künstlicher Darmausgang) oder „Irrigation“ (Darmspülung) in den normalen Sprachgebrauch übergegangen. Ihr Rat an Familien: „Für meinen Mann war es wichtig, sich selbst Hilfe zu suchen und zwischendurch Kraft zu sammeln für schwierige Zeiten.“

Sie ist zuversichtlich, dass die schwierigsten bereits hinter ihr liegen.

Hilfe finden Angehörige und Betroffene unter www.krebshilfe.at.

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