Schimpansen haben seltener Krebs – was unser Gehirn damit zu tun hat

Warum Schimpansen seltener Krebs haben – und was unser Gehirn damit zu tun hat
Menschen erkranken deutlich häufiger an Krebs als Schimpansen – und das, obwohl wir genetisch zu über 98 Prozent übereinstimmen. Lange Zeit galten Lebensstilfaktoren wie Rauchen, Umweltgifte oder industriell verarbeitete Nahrung als Hauptgründe dafür, doch die Faktoren reichten nie aus, um diesen Unterschied in der Krebsanfälligkeit zu erklären.
Nun haben Forschende der University of California, Davis einen überraschenden genetischen Schlüssel gefunden: Eine winzige Mutation im menschlichen Erbgut schwächt unser Immunsystem und könnte der Grund dafür sein, warum Schimpansen besser vor Krebs geschützt sind.
Wenn das Immunsystem nicht mehr durchgreift
Im Zentrum der Entdeckung steht ein Immunprotein namens Fas-Ligand (FasL). Es befindet sich auf der Oberfläche von T-Zellen und ist so etwas wie ihr "Todesbefehl": Trifft eine T-Zelle auf eine entartete Zelle, kann sie durch FasL ein Selbstmordprogramm in der Zielzelle auslösen – eine entscheidende Funktion bei der Krebsabwehr.
Genau hier liegt das Problem: Beim Menschen ist das FasL-Protein anfällig für das Enzym Plasmin, das in vielen soliden Tumoren, etwa bei Brust-, Eierstock- oder Darmkrebs, vorkommt. Plasmin kann das FasL regelrecht lahmlegen, indem es es zerschneidet. Das Ergebnis: Unsere T-Zellen verlieren ihre „Waffe“ gegen Krebszellen.
Bei Schimpansen passiert das nicht. Ihr FasL-Protein enthält an einer entscheidenden Stelle die Aminosäure Prolin, während Menschen dort Serin tragen. Deshalb kann das Enzym Plasmin das Affen-Protein nicht angreifen. Ihr Immunsystem bleibt selbst im Umfeld von Tumoren funktionstüchtig.
Ein evolutionärer Tauschhandel
Doch warum hat sich diese Mutation bei uns Menschen überhaupt durchgesetzt? Die Antwort: Die genetische Veränderung im FasL scheint auch eine Rolle bei der Entwicklung unseres größeren Gehirns gespielt zu haben.
„Die Mutation könnte unserem Gehirnwachstum Vorteile verschafft haben, aber das ging offenbar zulasten der Immunabwehr gegen Krebs“, erklärt Studienleiter Jogender Tushir-Singh. Ein klassisches Beispiel für einen evolutionären Kompromiss: besser denken können, aber anfälliger für Krankheiten.
Neue Wege in der Krebstherapie
Neben der evolutionären Erkenntnis hat die Studie auch praktische Folgen. Der Mechanismus erklärt schließlich, warum moderne Immuntherapien, die bei Blutkrebs oft sehr erfolgreich sind, bei soliden Tumoren häufig enttäuschen. In Blutkrebs-Tumoren ist Plasmin kaum aktiv, das FasL bleibt funktionstüchtig. In soliden Tumoren dagegen wird die Abwehr durch das Enzym lahmgelegt.
Das Forschungsteam konnte zeigen, dass sich das FasL-Protein schützen lässt, entweder durch Hemmung von Plasmin oder mithilfe spezieller Antikörper, die FasL stabil halten. In Laborversuchen führte das zu einer deutlich verbesserten Bekämpfung von Tumorzellen.
„Unsere Ergebnisse zeigen einen neuen Weg auf, Immuntherapien auch bei schwer behandelbaren Tumoren erfolgreicher zu machen“, so Tushir-Singh. Die Forschung stecke zwar noch in den Anfängen, doch die Kombination aus Genetik, Immunbiologie und Krebsmedizin biete neue Hoffnung und einen faszinierenden Einblick in die evolutionären Entscheidungen, die uns zu dem gemacht haben, was wir sind.
Die Ergebnisse wurden in Nature Communications veröffentlicht.
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