Rheumatoide Arthritis: "Patienten sind anspruchsvoller geworden"

90.000 Personen in Österreich sein von Rheumatoidier Arthritis betroffen
Rheumatoide Arthritis (RA) zählt zu den Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises. In Österreich leben rund 90.000 Personen mit dieser chronischen, schmerzhaften Gelenksentzündung, die sich am häufigsten in den Händen zeigt. Dominierend ist der Bereich von der Handwurzel bis zu den vorderen Zwischenfingergelenken. „Es gibt keine Heilung, aber die Krankheit ist mittlerweile gut beherrschbar“, betonte der Rheumatologe Gregor Holak, Leiter der Rheumaambulanz an der Wiener Klinik Ottakring am Sonntag bei der Apothekertagung in Schladming.
Bei Rheuma handelt es sich nicht um ein einheitliches Krankheitsbild. Vielmehr spricht man von „Krankheiten des rheumatischen Formenkreises“, zu denen mittlerweile etwa 400 einzelne Erkrankungen gezählt werden.
Das Krankheitsbild der „rheumatoiden Arthritis“ ist eine systemische Autoimmunerkrankung und kann in jedem Lebensalter auftreten, wobei das Risiko ab dem 50. Lebensjahr leicht ansteigt. Zwei Drittel der Betroffenen sind Frauen. Die genaue Ursache ist noch nicht vollständig geklärt. „Es gibt eine genetische Veranlagung, die sich bei vielen Patienten – derzeit noch experimentell - nachweisen lässt“, erklärte Holak. Hinzu kommen Umweltfaktoren, verwies Holak auf das Mikrobiom - also die Gesamtheit aller Mikroorganismen wie Bakterien und Viren, die den Menschen besiedeln - und besonders auf die Atemwege. Ein zusätzlicher Risikofaktor ist das Rauchen, betonte der Mediziner, weiters können auch lebensentscheidende Ereignisse oder auch Stress das Immunsystem aufregen und die Immuntoleranz zusammenbrechen lassen.
Eine Autoimmunerkrankung ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung, bei der das Immunsystem fälschlicherweise gesunde Zellen angreift und körpereigenes Gewebe beschädigt oder teilweise ganz zerstört.
Beschwerdefreiheit als Behandlungsziel
Für die Diagnose ist eine Kombination aus Anamnese, klinischer Untersuchung, Bildgebung und Laborwerten entscheidend. Sobald die Erkrankung festgestellt ist, beginnt die Therapie. Dabei hat sich das so genannte „Treat-to-Target“-Prinzip etabliert: Das Ziel Ist die geringst mögliche Krankheitsaktivität, oder sogar, dass sich der Patient „wie vor der Erkrankung“ fühlt, ein Wunsch vieler Patienten die in ihren Erwartungen anspruchsvoller geworden sind. „Zu Recht“ betont Holak.
Nach Behandlungsbeginn ist eine sofortige umfassende Besserung leider nicht garantiert. „Nach spätestens 3 Monaten muss sich aber eine deutliche Therapieantwort gezeigt haben.“ sagt der Experte
Spätestens nach sechs Monaten sollte das zu Beginn vereinbarte Therapieziel erreicht sein. Wenn nicht, dann heißt es „Zurück zum Start“, und die Therapie muss angepasst werden. Eine wirksame Behandlung wird in der Regel lebenslang fortgeführt.
Was wirkt wie?
Für die Behandlung der rheumatoiden Arthritis stehen mittlerweile zahlreiche wirksame Therapieoptionen zur Verfügung. Ziel ist es, die Entzündung zu kontrollieren, Schmerzen zu lindern und langfristige Schäden an den Gelenken zu verhindern.
Nutzen und Risiken von Kortison
Bei einem akuten Krankheitsschub kann Kortison in höherer Dosierung über kurze Zeit helfen, Schmerzen zu lindern und die Gelenkfunktion schnell zu verbessern. Auch als "Starter" kann es zur Überbrückung, bis systemische Therapeutika helfen, eingesetzt werden. Diese „Kortisonstoßbehandlung“ ist in der Akutphase sehr wirksam. Langfristig birgt Kortison jedoch auch Risiken: Es kann Infektionen erhöhen, verbunden mit der Einnahme bei höherer Dosierung auch eine Gewichtszunahme. Des Weiteren birgt eine langanhaltende Cortisontherapie Risiken für Diabetes, Magengeschwür, grünen Star, oder auch erhebliche Stimmungsschwankungen. Es gilt: Je höher die Dosierung und je länger die Einnahme, desto höher das Risiko für entsprechende Nebenwirkungen. Wenn möglich sollte Kortison daher in der Langzeitbehandlung der rheumatoiden Arthritis vermieden werden.
Bewährtes Methotrexat
Zu den wichtigsten Medikamenten zählen sogenannte Basistherapeutika, die das Immunsystem beeinflussen und das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen. Ein seit 60 Jahren bewährtes Mittel ist Methotrexat, das sowohl als Tablette als auch als Spritze verabreicht werden kann. "Bei einem Viertel der Patienten mit rheumatoider Arthritis MTX eine zufriedenstellende Wirkung", weiß Holak.
Biologika oder Januskinase-Hemmer?
Reicht die Wirkung nicht aus oder wird eine besonders aggressive Verlaufsform festgestellt, kommen moderne Therapien wie Biologika oder Januskinase-Hemmer zum Einsatz. Biologika sind biotechnologisch hergestellte Wirkstoffe, die gezielt in den Entzündungsprozess eingreifen, indem sie bestimmte Immunzellen oder Botenstoffe blockieren. Sie werden meist in Kombination mit Methotrexat verordnet, können aber auch allein eingesetzt werden, wenn herkömmliche Medikamente nicht vertragen werden.
Januskinase-Hemmer, auch JAK-Inhibitoren genannt, wirken auf eine andere Weise: Sie unterbrechen gezielt bestimmte Signalwege, die für die Entzündung im Körper verantwortlich sind. Diese Medikamente kommen zum Einsatz, wenn andere Therapien nicht ausreichen oder nicht vertragen werden, und sie können ebenfalls als Monotherapie verordnet werden.
Jüngste Studien haben in der letzten Zeit Bedenken hinsichtlich möglicher Nebenwirkungen wie einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs aufgeworfen.
Nun hat eine internationale Arbeitsgruppe unter Leitung von Josef Smolen von der MedUni Wien die bestehenden Leitlinien zum Einsatz von JAKi aktualisiert. Berücksichtig werden dabei die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse:
Die Empfehlungen betonen, dass die Anwendung von JAKi stets auf einer sorgfältigen Nutzen-Risiko-Abwägung basieren sollte. Dabei ist besonders auf Sicherheitsaspekte zu achten, die mit einem möglichem Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und bestimmte Krebsarten zusammenhängen. Zudem wurden präzisere Dosierungsrichtlinien entwickelt, die sich an Alter, Nieren- und Leberfunktion sowie weiteren Risikofaktoren orientieren.
Die jährliche Fortbildungstagung der Österreichischen Apothekerkammer in Schladming befasst sich heuer mit dem Thema "Rheuma - eine Krankheit mit vielen Gesichtern".
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