Gefahrenzone Berg: "Die Kälte ist das Problem"

Widrige Bedingungen im Mount-Everest-Basislager: Hier üben Bergsteiger während einer Trainingseinheit das Verhalten am Berg.
Im Schneesturm eingeschlossen am Mount Everest: Eine solche Situation birgt enorme Risiken – sowohl durch die extremen Temperaturen als auch durch die dünne Höhenluft. Welche Gefahren drohen und wie man eine solche Ausnahmesituation überleben kann, erklärt Christoph Dehnert, Internist, Kardiologe und Experte für Höhenmedizin im Interview.
KURIER: Wie lange kann ein Mensch auf 4.900 Metern Höhe am Mount Everest überleben?
Christoph Dehnert: Das ist schwer pauschal zu beantworten und hängt von der Versorgung ab. Gut ausgerüstete Personen könnten problemlos eine Woche oder länger ausharren. Für Menschen mit schlechter Ausrüstung oder ohne ausreichende Nahrung wird es bereits innerhalb eines Tages ernst.
Extreme Höhe oder Kälte: Was ist die größere Gefahr?
Ich würde sagen, dass die Kälte das größere Problem darstellt. Personen, die dort hochgewandert sind, haben sich in der Regel bereits für einige Zeit in der Höhe aufgehalten und müssten halbwegs akklimatisiert sein. Das mindert die Gefahr akuter höhenbedingter Erkrankungen erheblich – auch wenn diese nicht völlig ausgeschlossen werden können.
Wann wird die Kälte lebensbedrohlich?
Wenn Betroffene nicht gut ausgerüstet sind, können Temperaturen schon nahe dem Gefrierpunkt Probleme bereiten. Wer hingegen über die richtige Kleidung und Ausrüstung verfügt, kann auch Temperaturen von –20 bis –30 Grad in einem Zelt relativ gut überstehen.
Welche Symptome könnten Betroffene durch die Höhenkrankheit entwickeln?
Die häufigste Form ist die akute Bergkrankheit, die sich meist innerhalb von etwa acht Stunden nach Erreichen einer neuen Höhe durch erste Symptome zeigt. Typisch sind Kopfschmerzen, Abgeschlagenheit und Appetitlosigkeit. Diese Erkrankung ist in der Regel harmlos und klingt wieder ab, wenn man nicht weiter aufsteigt. In seltenen Fällen kann sie sich zu einem Höhenhirnödem entwickeln. Dabei schwillt das Gehirn an, was schnell lebensbedrohlich werden kann. Erste Symptome eines Höhenhirnödems könnten geistige Verlangsamung oder Orientierungslosigkeit sein. Es kann so weit gehen, dass Betroffene bewusstlos werden und sterben. Das Höhenhirnödem tritt üblicherweise ab einer Höhe von rund 4.000 Metern auf und entwickelt sich innerhalb von zwei bis vier Tagen. Es ist eine lebensgefährliche Situation, die auch mit der korrekten Behandlung ernste Komplikationen oder sogar Todesfälle verursachen kann.
Was kann man bei Komplikationen tun?
In der Regel steht Sauerstoff als Therapie zur Verfügung – das ist entscheidend. Sauerstoff kann aus Flaschen verwendet werden, und ich gehe davon aus, dass dort ausreichende Vorräte vorhanden sind. Wenn außerdem Kortison vorhanden ist, kann man die Person medikamentös adäquat behandeln.
Faszination
Der Mount Everest ist der höchste Berg der Welt. Mit einer Höhe von 8.849 Metern ist er auch magischer Anziehungspunkt für Extrembergsteigerinnen und Extrembergsteiger. 1953 wurde er zum ersten Mal bestiegen.
Gut besucht
Laut der "Himalayan Database" hat es bisher über 11.000 Gipfelbesteigungen des Mount Everest gegeben. Die Datenbank erfasst alle Expeditionen, die in den Bergen Nepals durchgeführt werden.
60 Tage dauert der Aufstieg im Schnitt. Nicht nur wegen der zurückzulegenden Strecke, sondern auch, weil sich die Bergsteiger langsam akklimatisieren müssen.
Gibt es neben dem Höhenhirnödem weitere Höhenerkrankungen?
Neben der akuten Bergkrankheit und dem Höhenhirnödem gibt es das Höhenlungenödem. Dabei sammeln sich Flüssigkeiten in der Lunge, die den Gasaustausch behindern. Ohne Behandlung führt dies zu erheblicher Atemnot und kann ebenfalls tödlich enden. Die Wahrscheinlichkeit für ein Lungenödem nach vier Tagen auf gleicher Höhe ist ebenfalls recht gering. Es ist aber nicht völlig ausgeschlossen, dass der ein oder andere Tourist davon betroffen ist.
Spielen körperliche Fitness und Erfahrung eine Rolle?
Gut trainierte Menschen können genauso anfällig sein wie jemand, der unsportlich ist. Entscheidend sind genetische und individuelle Faktoren. Erfahrene Bergsteiger haben jedoch einen Vorteil: Sie wissen, wie schnell sie aufsteigen können und was ihr Körper verträgt. Außerdem gibt es wohl eine natürliche Selektion, da sich kaum jemand zum Höhenbergsteiger entwickelt, der in großer Höhe immer Beschwerden hat.
Was ist die beste Überlebensstrategie?
Vieles hängt von den äußeren Bedingungen sowie von der individuellen Ausrüstung ab. Wer gut ausgerüstet ist, kann relativ entspannt bleiben, sich in ein Zelt zurückziehen und die Situation aussitzen.
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