Microdosing: Leistungsfähiger durch kleinste Mengen LSD und andere Substanzen?

Eine Hand hält "Zauberpilze" in die Höhe.
Der Trend aus dem Silicon-Valley ist in Österreich angekommen. Vor allem Menschen mit hohem Leistungsdruck setzen auf die Wirkung kleinster Dosen psychedelischer Substanzen.

Das Silicon Valley in Kalifornien gilt als Synonym für Innovation, Start-up-Kultur und neue Technologien. Es steht aber auch für Risikobereitschaft, enormen Leistungsdruck und die Vorstellung, mit technologischen Innovationen die Welt zu verändern. Um leistungsstark und kreativ arbeiten zu können, etablierte sich ein Trend, der nun auch in Österreich angekommen zu sein scheint: Microdosing.

Gemeint ist die Einnahme sehr kleiner Mengen bewusstseinsverändernder Substanzen wie LSD, Psilocybin, besser bekannt als „Magic Mushrooms“ oder „Zauberpilze“, sowie von zugelassenen Medikamenten, etwa bestimmte Antidepressiva. Ziel des Microdosing sind nicht „Highs“, also Halluzinationen oder Rauschzustände – vielmehr sollen geringe Mengen, alle drei bis vier Tage eingenommen, auf Kreativität, Stimmung und Konzentration wirken. Im Vordergrund steht Selbstoptimierung, also der Versuch, das eigene Leben in möglichst vielen Bereichen zu verbessern. „Microdosing soll helfen, in Balance zu kommen, resilienter zu werden und geleerte Depots aufzufüllen. Die Wirkung ist sehr subtil, man kann die einzelne Dosis nicht wahrnehmen – Ziel ist eher das kreative Grundniveau zu erweitern“, sagt Leadership Coach und Unternehmerin Teresa Zimmermann.

Führungskräfte und Manager setzen auf Microdosing

Insbesondere in Chefetagen sei Microdosing bekannt. Führungskräfte und Manager großer Konzerne stünden unter immer stärkerem Komplexitätsdruck – dies fördere die Bereitschaft für Microdosing, meint Zimmermann. „Viele verbinden damit fluide Denkmuster, kreative Problemlösung und das Fokussieren auf Prozesse. Ich merke in meiner Berufspraxis, dass sich immer mehr dafür interessieren.“

Prominentes Beispiel für das Microdosing psychoaktiver Substanzen ist Milliardär Elon Musk. Ihm wird nachgesagt regelmäßig im Arbeitsumfeld unterschiedliche, teils illegale Substanzen, insbesondere Ketamin, in kleinen Mengen zu konsumieren. Und er ist damit nicht allein. „Millionen Menschen nehmen derzeit Mikrodosen von Psychedelika“, sagte Karl Goldfield, ein ehemaliger Vertriebs- und Marketingberater aus San Francisco, gegenüber dem Wall Street Journal. Goldfield selbst helfe, wie er sagt, Freunden und Kollegen in der Tech-Welt informell bei der Wahl der richtigen Dosis. Es sei „der schnellste Weg, den Geist zu öffnen und selbst klar zu erkennen, was vor sich geht“, wird er in einem Bericht zitiert. Auch Zimmermann erzählt, dass jene, die Microdosing nutzen möchten, auf die Empfehlungen anderer vertrauen: „Es ist ein erfahrungsbasierter Zugang. Da es keine medizinisch geprüften Anwendungen sind, sind die Dosierungen für Microdosing alleine schwierig einzuschätzen.“

Teresa Zimmermann

Teresa Zimmermann ist Leadership Coach in Wien.

Welche Dosis?

Ziel ist eine Dosis zu finden, die keine sofortigen Effekte auslöst. Zum Vergleich: Eine aktive Dosis LSD liegt etwa zwischen 75 und 150 Mikrogramm. Zwischen 20 und 75 Mikrogramm gilt die Dosierung als leicht, bei mehr als 150 Mikrogramm als sehr stark. Beim Microdosing von LSD werden Dosen zwischen 10 und 20 Mikrogramm eingenommen. Die übliche LSD-Wirkung kann variieren, sorgt aber in der Regel für intensive Gefühle, eine verfremdete Wahrnehmung real existierender Dinge und ein verändertes Raum-Zeit-Empfinden. Bei kleinsten Dosen bleiben diese Effekte aus.

Verfechter des Microdosings nehmen LSD in geringer Dosis alle paar Tage über mehrere Wochen, meist periodisch. Sie gehen davon aus, dass es zu einem kumulativen Effekt kommt. Zimmermann: „Viele berichten, dass man am Anfang nichts merkt, aber nach drei bis vier Wochen LSD-Microdosing fokussierter ist.“

Dass geringe Dosen psychoaktiver Substanzen zu derartigen Effekten führen, gilt allerdings als fragwürdig. „Ich bezweifle, dass Microdosing von LSD oder anderen ähnlichen Substanzen irgendeinen nützlichen Effekt bei Managern hat. Allerdings ist ein Placebo-Effekt zu erwarten“, sagt Michael Freissmuth, Vorstand des Instituts für Pharmakologie an der Medizinischen Universität Wien. Der Placebo-Effekt ist vielfach wissenschaftlich untersucht und besagt, dass eigentlich unwirksame Behandlungen messbare körperliche sowie psychische Reaktionen auslösen. Allein durch die Erwartung einer Wirkung kann es zu Verbesserungen kommen. Freissmuth: „Nimmt man LSD ein, kommt die halluzinogene Wirkung vor allem über Serotoninrezeptoren zustande, an die vereinfacht gesprochen, das LSD andockt und sie besetzt. Dazu braucht es aber eine bestimmte Menge. Wird das LSD unterdosiert, zeigt sich kein Effekt – unwirksame Mengen bleiben unwirksam.“

Michael Freissmuth

Michael Freissmuth ist Leiter des Insituts für Pharmakologie an der MedUni Wien.

LSD gegen ADHS?

Wissenschaftlich untersucht wurde das zum Beispiel in einer Studie, die im März im Fachjournal JAMA Psychiatry veröffentlicht wurde. 53 Erwachsene im Alter von 18 bis 65 Jahren mit ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung) erhielten sechs Wochen lang zweimal wöchentlich entweder 20 Mikrogramm LSD oder ein Placebo. ADHS zeigt sich in Schwierigkeiten mit Aufmerksamkeit, Impulskontrolle und Selbstregulierung. Das Ergebnis: Sowohl in der LSD- als auch in der Placebogruppe verringerten sich ADHS-Symptome signifikant. Es gab jedoch keinen Unterschied in der Symptomreduktion zwischen den beiden Gruppen. Das heißt: LSD in geringer Dosierung war im Vergleich zu einem Placebo bei der Verringerung der ADHS-Symptome nicht wirksamer. Auch, wenn keine negativen Effekte durch das Microdosing psychoaktiver Substanzen zu erwarten seien, rät Freissmuth davon ab. „Frühere Studien haben gezeigt, dass der Placebo-Effekt über längere Zeit nachlässt. Ich denke, dass die meisten Menschen dazu neigen, die Dosis dann zu steigern. Und das halte ich für problematisch“, betont der Pharmakologe.

Auch in der psychiatrischen Forschung wird die Wirkung psychedelischer Substanzen in unterschiedlichen Dosierungen seit Jahrzehnten erforscht. So konnte etwa in einer Schweizer Studie gezeigt werden, dass eine moderate Menge Psilocybin bei schweren Depressionen signifikante Verbesserungen brachte. Ähnliche Effekte konnten für MDMA, bekannt als „Ecstasy“, für die Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) gezeigt werden. Meist werden aber Dosen untersucht, die über jenen des Microdosing liegen. Die Forschung dazu steht erst am Anfang. Größere Studien, die Effekte belegen, fehlen. Anders als Microdosing im Privaten finden derartige Untersuchungen stets unter kontrollierten Bedingungen statt. Psychedelische Substanzen werden in Studien zudem begleitet verabreicht.

Zimmermann betont, dass sich jemand, der Microdosing in Betracht zieht, die Frage stellen sollte, was hinter diesem Wunsch steht und wie er noch erfüllt werden könnte. „Microdosing ist nur eine von vielen Möglichkeiten, um sich dem Druck in der Arbeitswelt und neuen Herausforderungen zu stellen.“

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