Michael Musalek: Gebrauchsanweisung für den 24. Dezember

Sommergespräch mit Michael Musalek.
Weihnachten gelingt nicht durch Perfektion, sondern durch Menschen, die echt bleiben.

Wenn es für den Heiligen Abend einen Beipackzettel gäbe, stünde darauf gleich zu Beginn folgender Hinweis: „Harmonie ist nicht verschreibbar.“ Wir können sie uns wünschen, vorbereiten, ersehnen – aber entstehen wird sie nur dort, wo wir selbst ein Stück von uns hineingeben. Viele Menschen warten am 24. Dezember geradezu darauf, dass es „schön“ wird. Sie erwarten eine gute Stimmung, freundliche Worte, Wärme. Das Problem: Sie verharren in dieser Erwartung, statt selbst ihren Teil beizutragen. Aber so kann keine angenehme Atmosphäre entstehen, weil Atmosphäre kein Geschenk ist, das unter dem Baum liegt. Sie ist das Ergebnis einer gemeinsamen Ausrichtung und eines gemeinsamen Bemühens. Besonders schwierig wird es dort, wo das ganze Jahr über wenig Verständigung gelingt – und man am Heiligen Abend plötzlich Heile Welt spielen möchte. Das hält manchmal eine halbe Stunde, vielleicht eine Stunde. Länger kaum. Alles, was man Monate unter den Teppich gekehrt hat, kommt spätestens beim Dessert wieder hervor. Ein gutes Weihnachtsfest beginnt daher Wochen, vielleicht sogar Monate davor. Wer nämlich am Abend selbst nur so tut, als sei alles gut, spielt eine Rolle. Und Rollen halten auf Dauer nicht. Ein weiterer Störfaktor sind hohe Erwartungen. Wer etwas erwartet, „hat“ es gedanklich bereits. Tritt es dann aber nicht ein, fühlt es sich an, als wäre einem etwas weggenommen worden – obwohl es nie da war. Man ist ent-täuscht und das schmerzt. Hoffnung wäre die bessere Haltung: Sie lässt Raum. Sie erlaubt Überraschungen. Sie verlangt nicht, dass alles genau so wird, wie man es sich ausgemalt hat. Damit wären wir beim vielleicht wichtigsten Punkt: dem Mut zur Unvollkommenheit. Das Weihnachtsfest gelingt nicht, wenn man verkrampft versucht, es perfekt zu machen. Genuss braucht eine gewisse Lockerheit. Der Abend darf unvollkommen sein – ja, er soll es sogar. Ein etwas schiefer Baum, ein überkochender Topf, ein falsch gesungenes Lied – all das gehört zum Leben. Und das Leben ist nie perfekt. Ein holprig aufgesagtes Gedicht kann berührender sein als eines, das fehlerlos runter geratscht wird. Ähnliches gilt fürs Schenken: Auch hier zählt weniger die Perfektion als der Gedanke, worüber sich der andere wirklich freuen könnte.

Lächeln und Lob

Am Ende beinhaltet das Rezept fürs gelingende Fest einfache Zutaten: ein liebevoller Umgang miteinander. Ein warmherziges Lächeln. Ein ehrliches Lob. Das alles kann einen ganzen Abend bestimmen. Wir wissen: Es genügt eine einzige Person, um ein Fest zum Kippen zu bringen, doch ebenso genügt eine, um ihm Wärme zu verleihen. Jeder trägt hier seinen Teil bei. Nicht die Christbaumkugeln, nicht das Menü, nicht die Geschenke. Weihnachten wird dann zum Fest, wenn Menschen an einem Tisch sitzen, die gut miteinander umgehen und echt bleiben. Daraus entsteht jene Stimmung, die wirklich trägt.

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