KURIER: Ist es überhaupt gesund, einen Marathon zu laufen?
Robert Fritz: Marathonlaufen selbst ist nicht gesund, aber die Vorbereitung darauf sehr. Ganz allgemein ist Sport und Bewegung unheimlich gesund und jeder Mensch braucht Ziele. Für den einen ist das, im Sommer beim Wandern nicht so schnell außer Atem zu kommen, für den anderen ist es die Teilnahme an einem Marathon. Wenn ich gut vorbereitet bin, schadet die Teilnahme am Marathon der Gesundheit nicht. Bei jemandem, der zuvor gar keinen Sport gemacht hat, sind das mindestens sechs Monate, idealerweise ein Jahr. Wer regelmäßig Sport macht, dem empfehle ich eine gezielte Vorbereitung von mindestens drei Monaten. Weniger Vorbereitung, auch wenn ich jung und fit bin, ist nicht sinnvoll, sondern überlastet den Bewegungsapparat.
Hobbyläufer brauchen im Schnitt 4,5 Stunden für einen Marathon. Wie wirkt sich so eine Extrembelastung auf den Körper aus?
Das hängt vom individuellen Leistungsniveau ab. Zu Beginn läuft man meist locker los, das sieht man auch gut bei den Eliteläufern. Das ist zunächst keine intensive Belastung und jeder Hobbyläufer sollte ebenfalls nicht zu schnell anfangen. Wenn man langsam startet, funktioniert das Laufen meist lange sehr gut, ab Kilometer 30 kommt es bei den meisten aber zu einem Leistungseinbruch, der als relativ hart empfunden wird. Der Körper ermüdet, die Energiespeicher sind teils leer. Man spricht im Ausdauersport auch vom „Mann mit dem Hammer“, wo die Beine schwer werden. Hier hilft, rechtzeitig Energie zuzuführen und sich mental darauf vorzubereiten, dass das passieren kann. Bin ich nicht gut vorbereitet, kann es sehr hart werden, die Muskeln brennen, es fühlt sich insgesamt anstrengender an, obwohl ich langsamer werde. Dann kämpfen sich manche durch, was in Ordnung ist, solange die einzigen Beschwerden Müdigkeit und schwere Beine sind. Der Lauf muss aber keine Quälerei sein, viele laufen mit einem Lächeln über die Ziellinie.
Die meisten laufen die volle Distanz ja am Tag des Marathons zum ersten Mal.
Genau, das würde ich auch empfehlen. Generell würde ich kein Maximum vor dem Bewerb festlegen, das man mindestens einmal gelaufen sein soll. Manchmal geistert die Zahl von 30 Kilometern herum – das stammt aus alten Trainingsbüchern, in denen Topläufer ihre Erfahrungen weitergegeben haben. Vor dem Marathon sollte man Einheiten von 2,5 bis 3 Stunden absolviert haben – in dieser Zeit schafft ein Vierstundenläufer keine 30 Kilometer. Die Einheiten müssen zum Körper passen und sollen nicht zu schnell sein, sondern langsam und locker. Man kann in der Vorbereitung aber Intervalltraining einbauen und einzelne Einheiten intensiver gestalten.
Welche Rolle spielt die Psyche am Tag des Bewerbs?
Die Psyche spielt eine sehr große Rolle und macht den Marathon aus. Zum einen lernt man mit Problemen und Rückschlägen umzugehen, man sieht, dass obwohl man geglaubt hat, man schafft es nicht mehr, es doch möglich ist. Dadurch, dass Glückshormone, die Endorphine, ausgeschüttet werden, kommt man auch in das „Runners High“. Man fühlt sich extrem gut und das unterstützt dabei, weiterlaufen zu können. Dieses Gefühl ist irrsinnig schön, aber man sollte es nicht in jeder Trainingseinheit spüren, sondern nur in den sehr intensiven Einheiten – sonst wäre das ein Zeichen dafür, dass man zu hart trainiert. Bei lockeren Einheiten kommt man eher in einen Flow, einen Erholungszustand, bei dem ich mich auch gut fühle, weil Stress abgebaut wird.
Was sind Anzeichen dafür, dass der Marathon für mich eine zu starke Belastung ist?
Wenn während des Laufs Schmerzen wie Kopfschmerzen oder Schwindel auftreten oder man das Gefühl hat, dass das Herz rast oder unregelmäßig schlägt, sind das eindeutige Zeichen dafür, dass etwas nicht passt und man aufhören sollte. Manchmal kann es die Hitze sein, die derartige Symptome auslöst. Das Wetter macht sehr viel aus, bei manchen können auch Wetterwechsel zu körperlichen Problemen führen. Für diesen Sonntag wird kühles Wetter erwartet, das sorgt für gute Bedingungen. Man sollte jedenfalls auf seine Körpersignale hören. Entlang der Strecke gibt es medizinische Betreuung, heuer laufen auch Running Doctors mit, das ist medizinisch geschultes Personal, das die Läufer bei gesundheitlichen Problemen betreut.
Vereinzelt kommt es bei Marathonläufen zu Todesfällen. Wann passiert das und wie kann man vorbeugen?
Meist sind Männer über 35 Jahre betroffen, die schlecht vorbereitet sind oder Vorerkrankungen haben. Idealerweise lässt man sich, bevor man am Marathon teilnimmt, einmal beim Internisten, Hausarzt oder Sportmediziner durchchecken, ob etwas gegen eine Teilnahme spricht. Ein Herzinfarkt ist die absolute Ausnahme – laut Studien tritt er bei einem von 150.000 Marathonläufern auf (bei Halbmarathonteilnehmern ist es einer von je 400.000 Läufern, Anm.). Das kann leider auch bei kürzeren Distanzen oder bei anderen Sportarten passieren. Wichtig ist, auf seinen Körper zu hören. Beim Vienna City Marathon gibt es die Möglichkeit, sich am Freitag und Samstag vor dem Lauf noch einmal durchchecken zu lassen oder Fragen zu stellen. Orientierungshilfe gibt der PAR-Q-Fragebogen (siehe unten).
Was sollte man nach dem Marathon tun, wenn man es über die Ziellinie geschafft hat?
Das Wichtigste ist, warme Kleidung anzuziehen. Man ist verschwitzt und kühlt dann relativ rasch aus. Gerade an diesem Wochenende könnte es kühl und windig werden. Dann braucht es Flüssigkeit und Kohlenhydrate, um die Energiespeicher wieder aufzufüllen, auch ein wenig Eiweiß für die Muskeln. Nach dem Ziel sollte man noch bisschen gehen und in Bewegung bleiben. Anschließend sollte man ein paar Tage nicht laufen, damit die Knie, Muskeln und Sehnen die Chance haben, die Belastung zu verarbeiten und sich zu regenerieren.
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