Wartezeiten bei Krebsverdacht verkürzen

Wartezeiten bei Krebsverdacht verkürzen
Wer in Österreich Verdacht auf Krebs hat, muss oft lange warten. Bis zu zwölf Wochen kann es dauern, bis ein Termin für eine Magnetresonanztomografie (MRT) verfügbar ist. Auch bei Computertomografien (CT) sind drei bis vier Wochen Wartezeit keine Seltenheit. Diese Untersuchungen sind notwendig, um den Abklärungsprozess zu unterstützen und die entsprechende Therapie einleiten zu können.
Für Betroffene bedeutet dies bange Ungewissheit. Für die Medizin den Verlust wertvoller Zeit. „Viele gehen davon aus, dass bei Krebsverdacht alles sofort läuft. Das ist nicht so“, warnt Kathrin Strasser-Weippl, medizinische Leiterin der Österreichischen Gesellschaft für Hämatologie & Medizinische Onkologie (OeGHO). Anders als in Ländern wie Dänemark fehlt in Österreich die „Dringlichkeit“ für Krebspatienten im Abklärungsprozess. Onkologen berichten immer wieder, dass schnelle Diagnosen nur durch persönlichen Einsatz, private Kontakte oder den Umweg über den teuren Privatsektor möglich sind. „Das darf nicht vom Zufall abhängen“, warnt Strasser-Weippl. Internationale Studien zeigen schließlich, dass bereits vier Wochen Verzögerung bei Operationen das Sterberisiko um bis zu acht Prozent erhöht, bei Strahlen- oder medikamentösen Therapien sogar um bis zu 13 Prozent.
Fokus auf Dringlichkeit
„Derzeit gibt es de facto keine Priorisierung bei der Diagnostik, sodass nicht evidenzbasierte Untersuchungen, wie etwa bei Rücken- oder Knieschmerzen das System belasten, gewissermaßen verstopfen“, ergänzt Thomas Czypionka vom Institut für höhere Studien (IHS).
Gleichzeitig kann die moderne Krebsmedizin Erfolge vorweisen: Seit den frühen 1990er-Jahren ist die Sterblichkeit bei Männern um 36 Prozent, bei Frauen um 31 Prozent gesunken. Dank innovativer Therapien können immer mehr Menschen auch mit fortgeschrittener Erkrankung länger überleben. Aktuell sind in Österreich rund 419.000 Menschen von Krebs betroffen. „Wiederum eine enorme Herausforderung für das Gesundheitssystem“, sagt Public-Health-Experte Florian Trauner von der Gesundheit Österreich GmbH. Denn: Je mehr Therapielinien es gibt, desto mehr Arzttermine, Spitalsaufenthalte und Kontrollen gibt es auch. Zwischen 2017 und 2024 stieg die Zahl der Patienten, die eine Bestrahlung oder medikamentöse Behandlung erhalten, um 33 Prozent, Spitalskontakte mit medikamentöser Therapie sogar um 46 Prozent – Tendenz steigend. Bis 2030 wird die Zahl der Krebspatienten weiter zunehmen, die dominante Gruppe ist die Generation 60 plus.
Lösungen gefordert
Es brauche kluge Lösungen, um auf den Anstieg der Patientenzahlen zu reagieren, sagt Strasser-Weippl und verweist auf internationale Modelle: In England gibt es maximale Fristen für die Abklärung eines Krebsverdachts, in Dänemark steigerten das „Cancer Patient Pathways Program“ das Drei-Jahres-Überleben von 45 auf 54 Prozent. Lungenkrebs-Fast-Track-Programme in Italien verkürzten die Diagnosezeit von 43 auf 25 Tage, in Spanien sank die Wartezeit bei Darmkrebs von 68 auf 26 Tage.
Um die Versorgungslage strukturiert zu erfassen, hat die OeGHO deshalb das interdisziplinäre Denkformat „Österreichische Onkologie Forum“ gegründet. In mehreren Workshops evaluierten Experten die Situation und dokumentierten die Defizite. Wichtigste Empfehlung: Das Instrument der „onkologischen Dringlichkeit“ sollte im österreichischen Gesundheitssystem eingeführt werden. Damit könnten Onkologen Patienten je nach medizinischer Einschätzung priorisieren und rasch durch den Abklärungsprozess lotsen.
Kommentare