Jugendliche in Krisen: Wie das Schlafhormon Melatonin helfen könnte

Jugendliche in Krisen: Wie das Schlafhormon Melatonin helfen könnte
Der Einsatz von Melatonin könnte neuen Forschungen zufolge bei jungen Menschen mit Depressionen oder Angststörungen das Selbstverletzungsrisiko reduzieren.

Forschende des schwedischen Karolinska-Instituts haben sich angesehen, ob sich die Einnahme von Melatonin (besser bekannt als "Schlafhormon") positiv – also hemmend – auf selbstverletzendes Verhalten bei Jugendlichen auswirken kann.

"Angesichts des nachgewiesenen Zusammenhangs zwischen Schlafproblemen, Depressionen und Selbstverletzung wollten wir untersuchen, ob eine medikamentöse Schlafbehandlung mit einer geringeren Rate an vorsätzlicher Selbstverletzung bei jungen Menschen einhergeht", wird Sarah Bergen, Epidemiologin am Karolinska-Institut und Studienleiterin, in einer Aussendung zu Studien zitiert.

Melatonin ist ein körpereigenes Hormon, das an der Regulation des Tag-Nacht-Rhythmus beteiligt ist. Der Wirkstoff wird von der Zirbeldrüse, einem Teil des Zwischenhirns, produziert. Die Bildung wird durch Dunkelheit angeregt. Zwischen zwei und vier Uhr nachts ist die Melatonin-Konzentration im Blut am höchsten.

Im Zuge der Erhebung (sie wurde im Journal of Child Psychology and Psychiatry veröffentlicht) wurden über 25.500 Kinder und Jugendliche im Alter zwischen sechs und 18 Jahren, denen in Schweden Melatonin verschrieben wurde, untersucht.

Bei 87 Prozent der Probandinnen und Probanden war zuvor eine psychiatrische Erkrankung, etwa eine Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS), eine Angststörung, Depressionen oder eine Autismus-Spektrum-Störung (ASS) diagnostiziert worden. Selbstverletzungen traten bei den Mädchen in der Stichprobe etwa fünfmal häufiger auf als bei Jungen.

Risikoreduktion beobachtet

Das Risiko für selbstverletzendes Verhalten stieg kurz vor der Verschreibung von Melatonin an und sank in den Monaten nach Beginn der Behandlung um etwa die Hälfte. Besonders ausgeprägt war die Risikoreduktion bei jugendlichen Mädchen mit Depressionen und/oder Angststörungen.

Epidemiologin Bergen betont die Relevanz der Studie angesichts aktueller Entwicklungen: "Es gibt derzeit eine Krise der psychischen Gesundheit von Jugendlichen. Unsere Ergebnisse stützen die Hypothese, dass Schlafinterventionen das Selbstverletzungsrisiko in dieser Bevölkerungsgruppe, insbesondere bei Mädchen, verringern können."

Zusammenhang unklar

Die Aussagekraft der Erkenntnisse ist dennoch beschränkt. Bei der Erhebung handelt es sich um eine Beobachtungsstudie. Ein kausaler Zusammenhang zwischen Melatonin und einer geringeren Selbstverletzungsrate – sprich, ob eine höhere Melatonin-Zufuhr wirklich das Risiko für Selbstverletzungen senkt – kann aus den Daten nicht abgeleitet werden.

Um zu prüfen, ob die Einnahme von Medikamenten die Ergebnisse beeinflusst, wurden allerdings Auswertungen durchgeführt, bei denen jene Probandinnen und Probanden, die Antidepressiva einnehmen, aus der Analyse ausgeschlossen wurden. Die Ergebnisse waren ähnlich. Man könne aber nicht ausschließen, dass sich die Einnahme anderer Medikamente oder eine Psychotherapie auf die Resultate ausgewirkt habe.

Hilfe finden Sie bei der Telefonseelsorge (142) sowie bei Rat auf Draht (147) und online: www.kriseninterventionszentrum.at www.bittelebe.at.

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