Nach Herzinfarkt oder OP: Ist Sex gefährlich fürs Herz?

Herz-Kreislauf-Erkrankungen stehen an der ersten Stelle der Todesursachen in Österreich, doch die Wahrscheinlichkeit, daran zu erkranken, kann jeder selbst signifikant reduzieren. 
Wie Menschen mit Herzkrankheit feststellen können, wie viel Belastung ihr Herz verträgt und was sie für eine unbeschwerte Sexualität brauchen.

Der Herzinfarkt ist gut behandelt worden, der Eingriff am Herzen geglückt. Doch trotz der guten medizinischen Versorgung stehen Patienten im Alltag vor diversen Herausforderungen. Viele sind etwa unsicher, ob Sex nach einem Herzinfarkt, einer Herzoperation oder mit einer Herzkrankheit möglich ist. Schätzungen zufolge hat mindestens jeder zweite Herzpatient Schwierigkeiten mit der Sexualität. „Oft lähmen Unsicherheit und Scham so sehr, dass Patientinnen und Patienten sich eher zurückziehen anstatt offen mit dem behandelnden Arzt oder der Ärztin über ihre Ängste zu sprechen. Das kann eine Partnerschaft erheblich belasten und eine Rückkehr in ein gemeinsames erfülltes Sexualleben erschweren“, wird der Kardiologe und Reha-Spezialist Markus Wrenger, Ärztlicher Direktor der Fachklinik Weserland in Bad Pyrmont, in einer Aussendung zitiert.

Besonders nach einem Herzinfarkt, nach Implantation eines Stents, eines Herzschrittmachers oder eines implantierbaren Defibrillators (ICD) befürchten Patienten ein Risiko für ihr Herz aufgrund der körperlichen Belastung beim Sex. „Die körperliche Belastung beim Sex wird sehr häufig überschätzt“, gibt Wrenger Entwarnung. Und weiter: „Bei den meisten Menschen steigt der Puls nicht über 130 Schläge pro Minute, der obere Blutdruckwert nicht über 170 mmHg. Wer also noch zwei Stockwerke Treppen steigen kann oder zügig Spazierengehen – ohne dass es zu Herzschmerzen oder Atemnot kommt –, der ist auch fit genug für sexuelle Aktivitäten.“ 

Das statistische Risiko eines Herzinfarktes oder einer anderen schwerwiegenden Störung der Herzfunktion während sexueller Aktivität sei „ausgesprochen gering“, betont der Kardiologe. 

Wann es Ruhephasen braucht

Nach bestimmten Komplikationen wie Herzinfarkt oder operativen Eingriffen raten Herzexperten allerdings zunächst zu folgenden Ruhephasen:

  • Nach einer Bypassoperation wird empfohlen, sechs bis acht Wochen mit erneuter sexueller Aktivität zu warten, bis das Brustbein verheilt ist. 
  • Nach anderen Eingriffen ohne Eröffnen des Brustbeins wie Stentimplantation, kathetergestützte Aortenklappen-Implantation (TAVI), Schrittmacher-/Defibrillator (ICD)-Implantation oder nach einem Herzinfarkt sind meist nur wenige Tage Pause nötig, bis keine Symptome und Beschwerden mehr bestehen. Die Wunden sollten nach den o. g. Eingriffen verheilt sein. Nach Schrittmacher- bzw. Defibrillator-Implantation empfiehlt es sich, den Arm, auf dessen Seite operiert wurde, für ca. 6 Wochen zu schonen und nicht über 90 Grad, also nicht über das Schulterniveau, anzuheben.
  • Nach einer Herzkatheteruntersuchung wird dazu geraten, etwa zwei Tage auf größere Anstrengungen und auf Sex zu verzichten.
  • Auch in Situationen, in denen sich der Gesundheitszustand gerade verschlechtert, also die Erkrankung instabil wird, rät der Kardiologe zu vorübergehender sexueller Abstinenz. „Treten zum Beispiel Brustschmerzen wie Angina pectoris oder Atemnot bereits bei geringer Belastung auf, dann wäre das ein Signal, umgehend zum Kardiologen zu gehen und körperliche Belastung wie etwa sexuelle Aktivitäten zu meiden“, sagt Wrenger. Auch wer eine fortgeschrittene Herzschwäche (NYHA-Klasse III) hat, sollte sich vor Aufnahme sexueller Aktivitäten mit dem behandelnden Arzt oder der Ärztin besprechen. 

Auch mit implantiertem Defi ist normales Sexleben möglich

Nach der Implantation eines Defibrillators, kurz: Defi, haben viele Patienten die Angst, dass aufgrund des erhöhten Herzschlags beim Sex Defi-Schockabgaben ausgelöst werden können. „Grundsätzlich kann auch bei sexueller Aktivität wegen der damit verbundenen körperlichen Belastung eine Defi-Schockabgabe ausgelöst werden, so wie das auch bei anderen körperlichen Belastungen der Fall sein kann“, erklärt Wrenger. Dennoch sei mit einem Defi ein „ganz normales Sexualleben“ möglich. Und vor allem: „Kommt es während des Geschlechtsverkehrs zu einem Defi-Schock, wird das den Partner oder die Partnerin nicht gefährden“, beruhigt der Experte.

Medikamente bei Erektionsstörungen: Worauf man achten sollte

Wer auf Medikamente zur Behandlung von Erektionsstörungen zurückgreift, sollte beachten, dass sie eine Erweiterung der Gefäße bewirken und dadurch die Durchblutung der Gefäße im Penis verbessern. Für Herzpatienten ist zu beachten, dass diese Medikamente auch in anderen Arterien wirken, so dass der Blutdruck sinken und eine Kreislaufschwäche auftreten kann. „Bei der stabilen koronaren Herzkrankheit gelten die Medikamente jedoch im Allgemeinen als sicher“, erklärt Kardiologe Wrenger. 

Vorsicht sei jedoch bei der gleichzeitigen Einnahme von Sildenafil/Tadalafil und sogenannten Nitraten (Isosorbiddinitrat: ISDN, Isosorbidmononitrat: ISMN) geboten. Denn diese Nitropräparate (Nitrospray, Nitrokapseln), die bei Angina-pectoris-Beschwerden angewendet werden, verstärken die gefäßerweiternde Wirkung der Potenzmittel. „Bei gleichzeitiger Einnahme von potenzsteigernden Mitteln und Nitraten kann es zu kritischen, auch lebensbedrohlichen, Blutdruckabfällen kommen, sodass man hier sehr zurückhaltend sein und vorher ärztlichen Rat einholen sollte“, so Wrenger. 

Speziell beim Nitrospray könne aufgrund der kurzen Wirkdauer allerdings meist schon ein bestimmter Zeitabstand zur Einnahme des Potenzmittels helfen, einen kritischen Blutdruckabfall zu vermeiden. Dennoch sollten sich Herz-Kreislauf-Patienten unbedingt vor der Einnahme von Arzneimitteln zur Therapie von Erektionsstörungen zunächst ärztlich beraten lassen, um unerwünschte Nebenwirkungen zu vermeiden und die Sexualität dann wirklich unbeschwert genießen zu können.  

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