Snack-Attack? Rezepte gegen Heißhunger

Snack-Attack? Rezepte gegen Heißhunger
Von Ulrike Krasa
Zunächst weist Cornelia Fiechtl, Ernährungspsychologin und Expertin für „Food Feelings“, auf den Unterschied zwischen Heißhunger und Essdrang hin. Sie kennt die unterschiedlichsten Einflüsse auf das Wieviel und Warum: Hunger baut sich allmählich auf, bis wir ihn wahrnehmen und spüren. Ignorieren wir die Anzeichen unseres Körpers, die uns diesen Hunger signalisieren, entsteht der sogenannte Heißhunger. Dieser ist physiologisch bedingt und ein Zeichen, dass wir zu wenig Nährstoffe oder Energie haben, die wir gerade dringend bräuchten. Eventuell hat man zu wenig oder gar nichts zu sich genommen.
Der Begriff des Essdrangs hingegen basiert immer auf Emotionen und ist eine Reaktion auf ein Gefühl. Das können Ärger, Wut, Trauer oder eine Belohnung für eine Leistung oder Situation der Überforderung sein. Oft ist ein bestimmter Auslöser oder Trigger die Basis. „Essdrang ist immer ein Symptom für emotionale Themen“, so Fiechtl. So beeinflussen innere Antreiber und Glaubenssätze das Essverhalten. „Glaubenssätze sind oft schon so lange in uns, werden normal wahrgenommen und nicht hinterfragt. Sie sind aber vielleicht gar nicht richtig.“ Oder man wertet sich selbst ab, ist dann traurig und tröstet sich schließlich mit Essen. Anstatt sich aber seinem inneren Kritiker zu stellen und daran zu arbeiten, suchen manche den „einfacheren“ Weg in einer Diät. Für ein entspanntes, diätfreies Leben wäre es langfristig zielführender, sich eigener ungelöster, emotionaler Themen bewusst zu werden.

Mag. Cornelia Fiechtl Klinische Psychologin und Gesundheitspsychologin
Stress und Stressbewältigung
Emotionales Essen in Folge von Stress und eigenem Leistungsdruck kann im Zusammenhang mit Glaubenssätzen wie „Ich darf mir keine Zeit nehmen“ stehen. Diese treiben an, die eigenen Bedürfnisse zu übergehen und nicht auf die Zeichen seines Körpers zu hören, zum Beispiel auf ein aufkommendes Hungergefühl. Stressbewältigung funktioniert bei jedem Menschen anders. So gibt es beispielsweise eine gestresste Mutter, die sich abends, nachdem Job und Care-Arbeit erledigt sind, mit hochkalorischen Snacks „belohnt“ und damit entspannt. Im Vergleich dazu gibt es eine andere Mutter, die Zeitinseln auch für sich reserviert. Hier kann ein Perspektivenwechsel wertvoll sein: Wie macht das jemand anderer, trotz stressigem Job und Kindern, Zeit für Yoga oder Entspannung zu finden? Wie grenzen sich andere ab? Man könne das in seinem engsten Umfeld beobachten und bei Personen, die man diesbezüglich als gutes Vorbild betrachtet, nachfragen und sich etwas abschauen.
Vorzeichen wahrnehmen
„Sowohl Heißhunger als auch Essattacken kann man nicht isoliert betrachten, sondern verlangen nach einer ganzheitlichen Betrachtung“, so Fiechtl weiter. Denn bin ich mir über meine Gefühle bewusst und geht es mir gut, dann geht es mir auch mit meiner Ernährung gut. Man muss immer die Rahmenbedingungen sehen. Bevor es zu einem emotionalen Essanfall kommt, baut sich schon vorher ein Spannungszustand inklusive Signale auf: Man fühlt sich gehetzt, hat Verspannungen im Schulter-Nackenbereich, schläft schlecht, ist traurig und spürt einen Kloß im Hals, die Leichtigkeit ist weg, die Gedanken kreisen. Generell hilft es, sich die Häufigkeit der Nahrungsaufnahme bewusst zu machen. Denn unser Körper profitiert von Regelmäßigkeit, um optimal versorgt zu sein. Mahlzeiten alle drei bis vier Stunden können gegen Heißhunger helfen.
Essen bei Hunger, keine Verbote, Genuss!
Fiechtl rät, dann zu essen, wenn man Hunger hat. Und zwar sofort und nicht erst in zwei Stunden, wenn man zu Hause ist. Viele müssen aufkommenden Hunger erst spüren lernen. Indem man auf Hunger vorbereitet ist, lässt sich Heißhunger gut vorbeugen. Vordenken und vernünftige Snacks wie Äpfel oder anderes Obst, Nüsse, Gemüsesticks, Joghurt oder vollwertige Kekse zur Hand haben. Dann fallen Nahrungsaufnahme und Gusto auf Hochkalorisches bei der nächsten Mahlzeit auch nicht so üppig aus. Ausgewogene, gut sättigende Hauptmahlzeiten bewähren sich im Alltag besonders. Von selbstauferlegter Strenge hält die Expertin nichts: „Verbote sind zwecklos.“ Es drohe der „Jetzt ist es ohnehin schon egal“-Mechanismus: Denn gelingt es einmal nicht, das Verbot einzuhalten und genießt man zum Beispiel statt einer Rippe Schokolade gierig die ganze Tafel, ist man hinterher enttäuscht, wütend und traurig. Ein weiterer Punkt ist die eigene Genussfähigkeit zu hinterfragen. Aus welcher familiären Geschichte schöpfe ich meinen Zugang zu Genuss? Wie wurde und wird gegessen? Lag der Fokus auf großen Mengen? Esse ich gehetzt, bei Tisch, im Gehen, nebenbei, vor dem Handy, Fernseher oder Computer? Wie sieht mein Esstisch aus? Wird danach noch zusammengesessen und in entspannter Atmosphäre geplaudert? Bei einer Diätvergangenheit kann das Thema Essen überhaupt negativ konnotiert sein. Fiechtl rät Genuss zuzulassen: Geruch, Geschmack bewusst wahrnehmen, weniger schlingen und mehr genießen.
Süßgusto lässt sich trainieren
Süßverlangen lässt sich auch trainieren. Schon Paracelsus wusste: Die Dosis macht das Gift. Am besten sollte Süßes in Maßen, gleich nach einer Hauptmahlzeit genossen werden, um zusätzliche Blutzuckerspitzen zu vermeiden. Backrezepte können locker um ein Drittel des angegebenen Zuckers reduziert werden, ohne dass das Ergebnis darunter leidet. Bei Getränken sollten Wasser oder ungezuckerte Obstsäfte stark verdünnt mit Wasser, gegenüber Softdrinks, ob gezuckert oder künstlich gesüßt, bevorzugt werden.
Der Konsum künstlicher Süßstoffe und Zuckeraustauschstoffe, ist laut WHO und aus ernährungswissenschaftlicher Sicht nicht empfehlenswert: Sie fördern Heißhunger auf hochkalorische Nahrungsmittel und befeuern noch die Lust auf Süßes, können Verdauungsprobleme, langfristig Krankheiten wie Typ-2-Diabetes, Adipositas und Herz-Kreislauf-Erkrankungen begünstigen und stehen im Verdacht das Darmmikrobiom negativ zu beeinflussen. Diabetikern werden Zuckeraustauschstoffe, außer Erythrit, nicht mehr empfohlen. Langfristig steigern künstliche Süßstoffe sogar das Risiko einer Gewichtszunahme. Aus evolutionärer Sicht ist unser Körper damit nicht vertraut. Besser natürliche Süße von Obst nutzen und den Süßkonsum bewusst reduzieren.
Kommentare