Gesundes Gehirn im Fokus

Gesundes Gehirn im Fokus
Die Zahl der Schlaganfälle und Demenzerkrankungen steigt stetig an. Experten rufen zu gezielten Maßnahmen und mehr Bewusstsein für Früherkennung auf

Mit ,eine Tablette – und dann ist alles wieder gut‘ – ist es nicht getan“, sagt Bettina Pfausler, Leiterin der Neurologischen Intensivstation der Uniklinik für Neurologie in Innsbruck. Klingt provokant. Soll es auch sein. Neurologische Erkrankungen wie Schlaganfall und Demenz sind die zweithäufigste Todesursache weltweit und die Hauptursache für Lebensjahre, die in Krankheit oder Behinderung verbracht werden.

Lebensstil umstellen

Allein in der EU inklusive in Island, Norwegen und der Schweiz belaufen sich die jährlichen Kosten neurologischer Erkrankungen auf 800 Milliarden Euro. In Österreich ist der Schlaganfall führend. Rund 20.000 Betroffene pro Jahr verursachen Kosten von einer Milliarde Euro für Akutversorgung und Rehabilitation. Auch die Zahl der Demenzerkrankungen steigt: Derzeit sind etwa 150.000 Menschen betroffen, Tendenz steigend.

Diese Entwicklungen wurden zum Auftakt der Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Neurologie diskutiert – und die Botschaft der Experten ist klar: Lebensstiländerung (und nicht die Tablette) sowie die Minderung der Risikofaktoren sind entscheidend, die Zahl der Erkrankungen zu reduzieren – und die immensen Kosten für das Gesundheitssystem einzudämmen. „Durch eine gesunde Ernährung, regelmäßige Bewegung und das Management von Risikofaktoren lässt sich das Schlaganfallrisiko um bis zu 80 Prozent und das Demenzrisiko um 45 Prozent senken“, erklärt Jörg Weber, Leiter der Neurologie am Klinikum Klagenfurt.

Risikofaktoren senken

Sowohl der Schlaganfall als auch die Demenz haben neben Faktoren des Lebensstils noch gemeinsame Einflussfaktoren, wie Diabetes oder Cholesterin, deren frühzeitige Behandlung und Beobachtung das Risiko senken können. Bei hohen Cholesterinwerten sollte man deshalb nicht zögern, zu Cholesterinsenkern zu greifen“, rät Elisabeth Stögmann, Leiterin der Ambulanz für Gedächtnisstörungen und Demenzerkrankungen am AKH/MedUni Wien. Bei Demenz sind bisher 14 vermeidbare Risikofaktoren bekannt, darunter niedrige Bildung im Kindesalter, soziale Isolation oder Seh- und Hörverlust. Zu kurze aber auch zu lange Schlafenszeiten können wiederum eine entscheidende Rolle beim Schlaganfallrisiko spielen. „Bei chronisch langen Schlafphasen wird die Gehirnaktivität hinuntergesetzt, der regenerative Schlaf stellt sich nicht mehr ein, so Pfausler. Somit soll auch die Schlafqualität in eine Risikobewertung mit einfließen.

Bessere Versorgung

Die Schlaganfallversorgung in Österreich hat sich deutlich verbessert: Während in den 1990er-Jahren nur 25 bis 30 Prozent der Betroffenen nach drei Monaten wieder unabhängig waren, sind es heute bereits 65 bis 70 Prozent. Ein Großteil der Patienten wird in spezialisierten Stroke-Units behandelt, doch nicht nur die Akutversorgung ist entscheidend – auch die langfristige Nachsorge wird immer wichtiger. „Ein Schlaganfall ist nicht nur ein akutes, sondern auch ein chronisches Ereignis“, betont Pfausler. Viele Betroffene leiden danach unter Folgeerkrankungen wie Depressionen oder kognitiven Defiziten, die eine ständige Betreuung erfordern.

Auch bei Demenz gibt es Fortschritte. Sie bleibt zwar unheilbar, jedoch erwarten Experten, dass sie sich zu einer chronischen Erkrankung entwickeln wird, bei der der Verlauf verzögert werden kann. „Besonders wichtig ist die Früherkennung, bei der der Einsatz von Biomarkern bedeutende Fortschritte gebracht hat. Eine leichte kognitive Störung kann bereits eine Vorstufe der Demenz sein, weshalb Symptome frühzeitig erkannt werden sollten“, so Stögmann. Das Konzept der „zeitgerechten Diagnose“ zielt darauf ab, die bestmögliche Behandlung zu ermöglichen, um den Verlauf der Krankheit positiv zu beeinflussen, etwa durch Verbesserung der Symptome oder eine Verzögerung des Krankheitsfortschritts. Neue Therapien, wie monoklonale Antikörper, könnten 2025 in Europa zugelassen und vor allem in frühen Stadien der diagnostizierten Alzheimer-Demenz eingesetzt werden.

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