Stress und Trauma in der Kindheit lassen Gehirn schneller altern

Der Verlust eines Elternteils kann als traumatisches Erlebnis zu Auswirkungen auf das Gehirn führen.
Zusammenfassung
- Stress und Trauma in der Kindheit beschleunigen die Hirnalterung und fördern neurodegenerative Prozesse.
- Studie zeigt, dass Frauen mit traumatischen Kindheitserlebnissen ein geringeres Hirnvolumen und mehr kognitive Probleme aufweisen.
- Resilienz nach frühen Belastungen könnte schützen und sollte in zukünftigen Studien gezielt untersucht werden.
Dass traumatische Erfahrungen in der Kindheit Spuren hinterlassen, ist gut untersucht. Misshandlung, Vernachlässigung, häusliche Gewalt, Substanzmissbrauch, Kriminalität in der Familie oder der Verlust eines Elternteils erhöhen das Risiko für verschiedene Erkrankungen, darunter Depression, Angststörungen, Herzkreislauf- oder Stoffwechselerkrankungen. Deutsche Forschende der Berliner Charité konnten nun zeigen, dass Stress und Traumata im Kindesalter sich auch langfristig auf die Gehirnalterung auswirken und neurodegenerative Prozesse fördern, das heißt Nervenzellen schädigen.
An der Studie nahmen 179 Frauen zwischen 30 und 60 Jahren teil. Da Frauen ein erhöhtes Risiko für neurodegenerative Erkrankungen haben, legten die Wissenschaftler den Fokus auf diese Hochrisikogruppe. Anhand von Interviews wurde das Ausmaß stressreicher und hochbelastender Erfahrungen in der Kindheit – noch vor Einsetzen der Pubertät – erfasst. Zudem wurden Blutproben der Teilnehmerinnen auf Biomarker untersucht, die spezifische Entzündungsprozesse und das Absterben von Nervenzellen anzeigen. Mittels Magnetresonanztomographie erstellten die Forschenden Hirn-Scans, um die Größe des Gehirns sowie die der mit Hirnwasser gefüllten Hohlräume zu erfassen. Auch die kognitive Leistung der Teilnehmerinnen wurde via Computeraufgaben fest gestellt. Darunter auch drei Tests, die frühe Anzeichen für Demenz entdecken.
Geringeres Hirnvolumen und kognitive Probleme bei Frauen mit traumatischen Kindheitserlebnissen
Das Ergebnis: Frauen, die in ihrer Kindheit in hohem Maße Stress oder Trauma erlebten, wiesen im Blut vermehrt Biomarker für Entzündungen und Neurodegeneration auf, hatten ein geringeres Hirnvolumen und mehr kognitive Probleme. „Die Ergebnisse unserer Studie zeigen einen sehr deutlichen Zusammenhang zwischen frühen psychosozialen oder sozio-emotionalen Stresserfahrungen und verstärkter Hirnalterung bei Frauen. Frühe belastende Lebenserfahrungen scheinen also tatsächlich das Risiko für die Entwicklung neurodegenerativer Erkrankungen zu erhöhen“, schließt Christine Heim, Direktorin des Instituts für Medizinische Psychologie der Charité. Und weiter: „In weiterführenden Untersuchungen müssen nun die dahinterstehenden Mechanismen aufgeklärt werden, damit künftig die Pfade der Krankheitsentstehung mit geeigneten Therapien frühzeitig und gezielt unterbrochen werden können.“
Aber nicht jede oder jeder Betroffene wird nach kindlichem Trauma eine Demenz entwickeln. Viele Menschen besitzen ein hohes Maß an Resilienz, also Widerstandskraft, mit der sie schwere Lebenskrisen überstehen, ohne größeren Schaden zu nehmen. Wie Resilienz nach frühen belastenden Erfahrungen in der Kindheit gezielt gefördert werden kann, ist eine wichtige Frage für weiterführende Studien, so die Forschenden.
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