Fettleber – die stille Volkskrankheit
Sie wiegt beim Erwachsenen rund eineinhalb Kilogramm, liegt gut geschützt im rechten Oberbauch und arbeitet unermüdlich: Die Leber ist eines der wichtigsten und vielseitigsten Organe des menschlichen Körpers. Ihre Hauptaufgabe ist die Verarbeitung und Entgiftung von Substanzen. Sie filtert das Blut, baut Schadstoffe wie Alkohol oder Medikamentenrückstände ab und macht sie unschädlich. Gleichzeitig ist die Leber ein zentrales Stoffwechselorgan: Sie produziert lebenswichtige Eiweiße, speichert Energie in Form von Glykogen und reguliert den Fettstoffwechsel. Auch bei der Verdauung spielt sie eine Schlüsselrolle, indem sie Galle bildet, die für den Abbau von Fetten im Darm nötig ist.
„Trotz ihrer enormen Regenerationsfähigkeit ist die Leber gefährdet – ungesunde Ernährung, Alkoholmissbrauch oder chronische Infektionen können zu dauerhaften Schäden führen“, sagt Monika Ferlitsch, Abteilungsleiterin der Abteilung für Innere Medizin mit Gastroenterologie und Akutgeriatrie in der Klinik Floridsdorf Wien.
Kein Einzelphänomen
„Die metabolische Fettleber ist längst keine Randerscheinung mehr. Sie ist zur Volkskrankheit geworden und viele Menschen wissen gar nicht, dass sie betroffen sind“, so Ferlitsch. Grundsätzlich handelt es sich dabei um eine Erkrankung, bei der sich Fett in die Leberzellen einlagert – bei der metabolischen Fettleber ohne übermäßigen Alkoholkonsum. Lange Zeit sprach man dabei von der nicht-alkoholischen Fettleber. Der Begriff sollte klarstellen, dass die Erkrankung nicht durch Alkohol, sondern durch andere Ursachen entsteht. Doch dieser Name führte oft zu Missverständnissen – so, als wäre Alkohol der einzige Vergleichsmaßstab oder als müssten Betroffene sich rechtfertigen, keinen Alkohol zu trinken.
Heute lautet die offizielle Bezeichnung für die metabolische Fettleber MASLD (metabolically associated steatotic liver disease). Dahinter steckt ein entscheidender Unterschied: Nicht mehr das Ausschlusskriterium Alkohol steht im Vordergrund, sondern die tatsächlichen Ursachen, nämlich Stoffwechselfaktoren wie Übergewicht, Insulinresistenz, Diabetes oder erhöhte Blutfette. Der Konsum kleiner Alkoholmengen – bis zu 20 Gramm pro Tag bei Frauen und bis zu 30 Gramm pro Tag bei Männern – schließt die Diagnose nicht aus. Erst wenn eine Fettleber mit deutlich höherem Alkoholkonsum auftritt (bei Männern ab etwa 50 Gramm pro Tag, bei Frauen ab etwa 60 Gramm pro Tag), spricht man von einer alkoholischen Fettleber.
„Die Umbenennung ist wichtig, weil sie klar macht, dass diese Erkrankung vor allem mit unserem modernen Lebensstil und mit metabolischen Risikofaktoren zusammenhängt – und nicht allein mit Alkohol“, erklärt Ferlitsch.
Moderne Lebensweise
Zu den wichtigsten Ursachen zählen zu viele Kalorien, zu wenig Bewegung und zunehmendes Übergewicht. Doch das Bild ist komplexer. Ferlitsch: „Auch schlanke Menschen können eine Fettleber entwickeln. Genetische Faktoren und ungünstige Ernährungsgewohnheiten spielen eine wesentliche Rolle.“ Besonders eng verknüpft ist MASLD mit Typ-2-Diabetes. Rund 70 Prozent der Menschen mit Diabetes haben auch eine Fettleber. Umgekehrt erhöht eine bestehende metabolische Fettleber das Risiko, selbst an Diabetes zu erkranken. Hohe Cholesterin- und Triglyzeridwerte verschärfen diese gefährliche Kombination.
Die Erkrankung betrifft nicht nur die Leber selbst. Anfangs lässt sich das eingelagerte Fett oft durch Lebensstiländerungen zurückbilden. Bleibt die Überfettung jedoch bestehen, kann sich eine Entzündung entwickeln (MASH). Diese kann zu Fibrose (Vernarbung), Zirrhose oder sogar Leberkrebs führen. Noch gravierender ist jedoch das systemische Risiko: „MASLD erhöht das Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall und andere Herz-Kreislauf-Erkrankungen deutlich“, warnt Ferlitsch. „Sie ist eine Erkrankung, die den ganzen Körper betrifft.“
Das Rechentool kann ohne großen Aufwand angewendet werden und berechnet das Risiko für eine fortgeschrittene Leberfibrose.
Früherkennung wichtig
Um eine Fettleber zu erkennen und rechtzeitig zu behandeln, ist eine frühe Diagnose entscheidend. Dabei hilft der sogenannte FIB-4-Score, ein niederschwelliges Rechentool, das ohne großen Aufwand angewendet werden kann. Eingesetzt wird er bei chronischen Lebererkrankungen wie Hepatitis B, Hepatitis C oder Fettleber, wobei anhand von Alter, Leberwerten (AST und ALT) sowie Thrombozytenzahl das Risiko für eine fortgeschrittene Leberfibrose eingeschätzt wird. Die Berechnung erfolgt über eine festgelegte Formel, die diese Werte ins Verhältnis setzt (siehe Grafik).
Ferlitsch: „In der Praxis handelt es sich dabei um ein unkompliziertes Werkzeug für Screening, Risikoeinschätzung und Verlaufskontrolle bei Lebererkrankungen. Es braucht nur wenige Standard-Laborwerte darüber hinaus ist er kostengünstig und kann helfen, unnötige invasive Untersuchungen zu vermeiden.“ Nicht eingesetzt werden kann er jedoch bei akuten Leberentzündungen, anderen Ursachen für niedrige Thrombozytenwerte sowie bei sehr jungen oder älteren Patienten.
Schutz für die Leber
Der wirksamste Ansatz zur Behandlung einer metabolischen Fettleber ist eine nachhaltige Veränderung des Lebensstil. Bereits ein Gewichtsverlust von etwa sieben bis zehn Prozent des Körpergewichts kann den Fettgehalt der Leber deutlich verringern. Besonders vorteilhaft ist die mediterrane Ernährung mit reichlich Gemüse, Hülsenfrüchten, Vollkornprodukten, Fisch, Olivenöl und Nüssen.
Unterstützend wirken bestimmte Lebensmittel und Getränke: Mehrere Studien weisen darauf hin, dass ein moderater Kaffeekonsum von drei bis vier Tassen pro Tag, ohne Zucker, mit einem geringeren Risiko für Leberfibrose verbunden ist. Bitterstoffreiche Gemüsesorten wie Chicorée, Brokkoli oder Spargel fördern die Verdauung und unterstützen den Stoffwechsel. Bei der Auswahl von Obst sollte der Fruktosegehalt berücksichtigt werden. Softdrinks und Fruchtsäfte sind möglichst zu vermeiden, da sie konzentrierte Fruktose enthalten und die Leber belasten können. Äpfel und Orangen in Maßen genießen – ein bis zwei Stück sind unproblematisch, während Beerenobst aufgrund des geringen Zuckergehalts, der hohen Ballaststoffmenge und der antioxidativen Pflanzenstoffe empfehlenswert ist.
Regelmäßige Bewegung spielt ebenfalls eine zentrale Rolle bei der Prävention. Drei bis fünf Einheiten pro Woche, idealerweise aus Ausdauer- und Krafttraining, verbessern den Stoffwechsel spürbar. „Sitzen ist das neue Rauchen“, betont Expertin Ferlitsch und empfiehlt mindestens 10.000 Schritte pro Tag. Was am einfachsten umzusetzen ist: „Steigen Sie eine U-Bahn-Station früher aus, gehen Sie viel zu Fuß, nehmen Sie die Stiegen statt den Lift. Ihre Leber wird Ihnen in der Zukunft dafür danken.“
Medikamente in Sicht
Parallel zur Präventionsarbeit wird laufend an neuen Medikamenten geforscht. Erfolgversprechend sind GLP-1-Rezeptor-Agonisten, Stichwort Abnehmspritze, die bereits bei Diabetes und Adipositas eingesetzt werden. Sie können das Leberfett senken und Entzündungen bremsen. In den USA ist zudem eine weitere Substanz gegen die fortgeschrittene Form der Fettleber (MASH) mit Fibrose zugelassen, auf deren Einführung in Österreich man noch wartet. Ferlitsch: „Jeder kann viel für seine Leber tun – und damit langfristig seine gesamte Gesundheit schützen.“
Kommentare