Faktencheck: Dunkle Fasern auf Teststäbchen sind keine Parasiten

Faktencheck: Dunkle Fasern auf Teststäbchen sind keine Parasiten
Mehrere virale Videos warnen vor Antigen-Schnelltests - was hinter dem neuesten Verschwörungsmythos steckt.

Im Netz kursieren derzeit mehrere Falschmeldungen zu Antigen-Schnelltests: Unter dem Mikroskop soll sichtbar sein, dass sich auf den Teststäbchen dunkle Fasern befinden, die sich durch Wärme oder Feuchtigkeit aktivieren sollen. Die Ersteller der Videos vermuten dahinter so genannte "Morgellons", die mutwillig dort platziert wurden.

Mittlerweile häufen sich die Videos, auch zu Schutzmasken gibt es ähnliche Behauptungen. Die angeblichen Morgellon-Parasiten sind umstritten: Es handelt sich um eine selbst diagnostizierte Krankheitsbezeichnung, die wissenschaftlich nicht anerkannt ist. Betroffene behaupten, dass aus ihrer Haut Fäden wachsen. Jetzt sollen sie auch über Stäbchen und Masken in den Körper gelangen. Aber was ist dran an der Theorie?

Stofffussel oder Hautpartikel

Die bisherige wissenschaftliche Bewertung als Einbildung oder Wahn stützt sich vor allem auf eine Studie der US-Behörde CDC aus dem Jahr 2012. Darin wurden mehrere Menschen untersucht, die ihr Leiden selbst als Morgellon diagnostizierten. Die Studienautoren analysierten damals die körperlichen, geistigen und sozialen Charakteristika der Studienteilnehmer. Sie kamen zu dem Schluss, dass es nicht genügend Hinweise gibt, um einschätzen zu können, ob es sich um eine neue Erkrankung handle oder um eine erweiterte Form einer Krankheit, die dem Phänomen bisher zugeschrieben wurden - wie etwa einem Dermatozoenwahn. Bei dieser wahnhaften Vorstellung bilden sich Patienten ein, Käfer, Würmer oder andere Lebewesen unter der Haut zu haben.

Der deutsche Forensiker Mark Beneke veröffentlichte aufgrund der aktuellen Aufmerksamkeit für das Thema ein Video auf seinem Youtube-Kanal, in dem er zeigt, wie schnell sich normale Rückstände unter einem Mikroskop für Lebewesen halten lassen. Immer wieder würden ihm Menschen Proben zuschicken, die sie auf oder in der Haut hatten, und ihn bitten, sie zu analysieren. Meistens ließen sich die angeblichen Symptome einfach durch Stofffussel, Pflanzenteile oder Hautpartikel erklären. „In allen Fällen seit 20 Jahren, die ich selber gemessen, angeguckt, zerschnitten, gefärbt oder unter einem Mikroskop fotografiert habe, waren es niemals Morgellonen.“

Auch der Parasitologe Herbert Auer von der MedUni Wien bestätigte auf APA-Anfrage, dass er in seiner Laufbahn immer wieder mit Patienten zu tun hatte, die fest überzeugt waren, an der Morgellon-Krankheit zu leiden. Wir haben alle Patienten, die zu uns kamen, parasitologisch so gut wie möglich durchgecheckt, aber nie eine Parasiteninfektion nachweisen können", so Auer. Er sei wie viele seiner Fachkollegen der Meinung, dass es sich ausschließlich um eine Psychose handelt.

Zeckenbiss als Erklärung

Allerdings gibt es auch Untersuchungen, die mögliche Erklärungen für das Phänomen bieten. Ein wissenschaftlicher Aufsatz aus dem Jahr 2016 bringt den möglichen Fadenwuchs bei Morgellon in Verbindung mit Infektionen nach einem Zeckenbiss bzw. Borreliose. Die Fasern könnten demnach vom Körper durch die als Keratin bekannten Faserproteine und das Protein Kollagen gebildet werden. Argumentiert wird etwa mit einem vergleichbaren Symptom bei Mortellaro, einer ebenfalls spirochätalen Infektion in der Zehenhaut bei Rindern. Zu beachten ist hierbei, dass nicht davon gesprochen wird, dass die gebildeten Fäden selbst der Parasit oder lebendig wären.

Die meisten Publikationen zu einer möglichen Verbindung zwischen Morgellon und Zeckenborreliose stammen von der kanadischen Mikrobiologin Marianne J. Middelveen. Laut einer ihrer Studien, die im Jahr 2018 publiziert wurde, konnte sie bei 27 von 30 potenziellen Morgellon-Patienten eine Borreliose feststellen.

Keine Verunreinigung

Die Existenz und Ausprägung der Krankheit ist wissenschaftlich also umstritten. Es bleibt die Frage, worum es sich nun bei den Härchen auf den Teststäbchen handelt. Auer schließt aus, dass es sich bei den Fasern um Parasiten handle. Parasiten könnten in der Verpackung gar nicht überleben. Wenn auf solchen Tests Fasern oder Härchen gefunden werden, "dann ist es eine rein zufällige Kontamination während des Verpackungsprozesses, aber keinesfalls durch Parasiten bedingt".

Die APA kontaktierte mit dem deutschen Unternehmen nal von minden auch einen Hersteller von Antigen-Schnelltests. Die Erzählungen rund um Morgellons seien dort bekannt, man erhalte auch wiederholt Anrufe und Drohungen. Allerdings könne man bestätigen, dass es sich nur um Textilfussel handle, die bei der Produktion auf das beflockte Ende kämen. "Diese beeinträchtigen aber selbstverständlich nicht die Qualität des Tupfers und sind nicht als Verunreinigung zu sehen. Tatsächlich atmet jeder von uns täglich Staub und Fussel ein, die zuverlässig von unseren Schleimhäuten wieder nach außen transportiert werden", erklärte eine Sprecherin.

Dass sich die Fasern durch Anhauchen bewegen lassen, lässt sich mit einfachen physikalischen Phänomenen wie Elektrostatik oder Luftzug erklären. Darauf verweist auch Beneke in seinem Video. Dass sich eine schwarze Faser im Gegensatz zu den anderen Härchen auf dem Stab bewege, liege daran, dass alle anderen Fäden mit dem Kopf verbunden sind.

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