Überraschende Studie: Einsamkeit erhöht Sterberisiko bei Pflegebedürftigen nicht

Eine ältere Frau schaut aus dem Fenster.
Neue internationale Untersuchung widerspricht der gängigen Annahme, dass Einsamkeit ebenso gesundheitsschädlich sei wie das Rauchen von 15 Zigaretten am Tag.

Zusammenfassung

  • Neue Studie zeigt, dass Einsamkeit für ältere Menschen in häuslicher Pflege kein unabhängiger Risikofaktor für frühe Sterblichkeit ist.
  • Studie analysierte Daten von über 380.000 pflegebedürftigen Senioren aus Kanada, Finnland und Neuseeland und fand keine erhöhte Sterbewahrscheinlichkeit bei Einsamen.
  • Einsamkeit beeinflusst nicht die Sterblichkeit, bleibt aber ein ernstes Problem für das seelische Wohlbefinden, soziale Kontakte sollten gefördert werden.

Entgegen der weit verbreiteten Annahme, dass Einsamkeit das Sterberisiko erheblich steigert, zeigt eine neue Studie: Für ältere Menschen, die häusliche Pflege erhalten, ist das Gefühl der Einsamkeit offenbar kein unabhängiger Risikofaktor für einen frühen Tod. Frühere Studien kamen zu dem Schluss, dass Einsamkeit ebenso gesundheitsschädlich sei wie das Rauchen von 15 Zigaretten am Tag. 

Ein Forschungsteam unter Leitung der School of Public Health Sciences an der Universität Waterloo (Kanada) hat nun Daten von über 380.000 pflegebedürftigen Seniorinnen und Senioren aus Kanada, Finnland und Neuseeland analysiert. Das überraschende Ergebnis: Nach Berücksichtigung gesundheitlicher Faktoren, des Alters und weiterer Risiken hatten einsame Menschen sogar eine leicht geringere Sterbewahrscheinlichkeit innerhalb eines Jahres als Nicht-Einsame.

Kein eigenständiger Faktor für die Sterblichkeit

„Unsere Ergebnisse legen nahe, dass Einsamkeit – anders als oft behauptet – kein eigenständiger Risikofaktor für die Sterblichkeit ist, wenn man den allgemeinen Gesundheitszustand berücksichtigt“, wird Studienleiter Bonaventure Egbujie in einer Aussendung zitiert. Diese Erkenntnis stehe im Widerspruch zu vielen bisherigen Studien, die sich auf die Allgemeinbevölkerung beziehen.

Die Forschenden fanden zudem heraus, dass körperlich fittere Menschen, die weniger Unterstützung durch Angehörige oder Freunde erhielten, sich häufiger einsam fühlten. Dies weist auf einen komplexen Zusammenhang zwischen Gesundheit, Pflegebedarf und sozialer Einbindung hin.

In Kanada lag der Anteil einsamer Pflegebedürftiger bei rund 16 Prozent, in Neuseeland sogar bei über 24 Prozent.

Trotzdem warnen die Forschenden davor, das Thema zu unterschätzen. Einsamkeit bleibe ein ernstes Problem – insbesondere für das seelische Wohlbefinden. „Einsamkeit tötet vielleicht nicht, aber sie kann psychisch sehr belasten“, sagt Mitautor John Hirdes. „Pflege- und Betreuungsdienste müssen aktiv soziale Kontakte fördern.“

Die Studie wurde kürzlich in der renommierten Fachzeitschrift Journal of the American Medical Directors Association veröffentlicht.

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