Durchblick im Dunkeln: Infrarotkontaktlinsen machen Unsichtbares sichtbar

Taschenlampe mit Lichtkegel am Asphalt
Mithilfe neuartiger Infrarotkontaktlinsen ist es erstmals gelungen, Nahinfrarotstrahlung direkt im Auge sichtbar zu machen – und damit im Dunkeln zu sehen. Auch Menschen mit Farbenblindheit könnten davon profitieren.

Die Kontaktlinsen, die chinesische Forschende entwickelt haben, basieren auf Nanopartikeln, die elektromagnetische Wellen im Bereich von 800 bis 1600 Nanometern, also im unsichtbaren Nahinfrarotspektrum, in sichtbares Licht umwandeln. Infrarotstrahlung kann der Mensch mit bloßem Auge nicht sehen. Trotzdem ist sie immer da, denn sie wird von warmen Dingen abgegeben – zum Beispiel von Menschen, Tieren oder elektronischen Geräten. Auch wenn es völlig dunkel ist, senden diese Wärmequellen weiterhin Infrarotstrahlung aus. Wer diese Strahlung sehen kann, kann sich also selbst in der Dunkelheit orientieren. Bisher war das nur mit Geräten wie Nachtsichtgeräten möglich.

Sehen ist für den Menschen nur möglich, wenn Licht vorhanden ist – genauer gesagt: sichtbares Licht. Dieses bewegt sich im Wellenlängenbereich von etwa 400 bis 700 Nanometern und ist der einzige Teil des elektromagnetischen Spektrums, den unsere Augen ohne Hilfsmittel wahrnehmen können. Sobald es dunkel wird und kaum noch Lichtquellen vorhanden sind, fehlt dieser Reiz – und damit auch die Grundlage für visuelle Wahrnehmung.

Im menschlichen Auge sitzen auf der Netzhaut zwei Haupttypen lichtempfindlicher Sinneszellen: die Zapfen, die Farben bei Tageslicht erkennen, und die Stäbchen, die für das Hell-Dunkel-Sehen verantwortlich sind. Zwar sind Stäbchen deutlich lichtempfindlicher als Zapfen, doch auch sie benötigen zumindest geringe Mengen sichtbaren Lichts, um Signale ans Gehirn zu senden. Bei völliger Dunkelheit – etwa in einem fensterlosen Raum ohne Lichtquellen – empfangen die Stäbchen keine Informationen mehr. Die Netzhaut bleibt inaktiv, und das Gehirn kann kein Bild erzeugen.

Was unser Auge dabei übersieht, ist, dass selbst in dunklen Räumen noch Strahlung vorhanden ist – nur liegt sie außerhalb unseres Wahrnehmungsbereichs. Infrarotstrahlung, auch als Wärmestrahlung bekannt, ist ein gutes Beispiel dafür: Sie wird kontinuierlich von warmen Objekten abgegeben – von menschlichen Körpern, Tieren, Motoren oder elektrischen Geräten. Doch da Infrarotlicht eine größere Wellenlänge hat als sichtbares Licht, bleibt es für das menschliche Auge unsichtbar. Wir merken zwar, dass etwas warm ist, sehen aber keine Strahlung.

Erst durch technische Hilfsmittel wie Nachtsichtgeräte oder Wärmebildkameras wurde es möglich, Infrarotstrahlung in sichtbare Bilder umzuwandeln. Mit der Entwicklung neuartiger Infrarotkontaktlinsen könnte nun auch der Mensch lernen, das Unsichtbare direkt zu sehen – ein faszinierender Schritt hin zu einem völlig neuen Sinneseindruck.

Mäuse und Menschen sehen Infrarot

Im Tierversuch konnten Mäuse mit den Linsen Infrarotlicht eindeutig wahrnehmen. Sie mieden gezielt beleuchtete Räume und bevorzugten dunkle Bereiche – ein Verhalten, das bei Kontrolltieren nicht auftrat. Auch die Pupillen reagierten auf das Infrarotlicht, was bildgebende Verfahren bestätigten: Im Gehirn waren die Sehzentren aktiv. 

Noch eindrucksvoller war der Test mit menschlichen Probanden. Diese konnten blinkende Infrarotsignale, wie etwa Morsezeichen, erkennen und deren Richtung bestimmen. Überraschend: Mit geschlossenen Augen war das Signal sogar besser wahrnehmbar, da Infrarotlicht das Augenlid besser durchdringt als sichtbares Licht. Studienleiter Tian Xue erklärt: „Ohne die Kontaktlinsen war das Licht völlig unsichtbar, mit ihnen war das Blinken klar erkennbar.“

Farbcodierung für besseres Sehen – auch bei Farbsehstörungen

In einem weiteren Schritt entwickelte das Team trichromatische Linsen, die verschiedene Infrarotwellenlängen farblich codieren. Licht mit 980 nm erschien dabei blau, 808 nm grün und 1.532 nm rot. Das ermöglicht nicht nur Orientierung im Dunkeln, sondern auch eine Differenzierung zwischen verschiedenen Infrarotquellen.

Diese Technik könnte auch Menschen mit Farbsehstörungen neue Perspektiven eröffnen. Durch gezielte Umwandlung von Farben – etwa von Rot zu Grün – könnten Betroffene Farbbereiche wahrnehmen, die ihnen bisher verborgen waren. 

Noch nicht alltagstauglich – aber vielversprechend

Bis zur breiten Anwendung sind jedoch noch einige Hürden zu nehmen. Aktuell reagieren die Linsen nur auf vergleichsweise starke Infrarotquellen wie LEDs, und die Bildauflösung ist durch Streueffekte begrenzt. Für detaillierte Anwendungen wurde daher ein ergänzendes Brillensystem entwickelt, das auf derselben Nanotechnologie basiert.

Langfristig sehen die Forschenden Einsatzmöglichkeiten in Katastrophenschutz, verdeckter Kommunikation oder bei schlechter Sicht im Alltag

Die Ergebnisse der Studie wurden im Fachjournal Cell veröffentlicht.

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