Diabetes-Betroffene: "Kümmere ich mich nicht selbst um mich, macht’s keiner"

Eine Frau überprüft ihren Blutzuckerspiegel.
KURIER-Redakteurin Evelyn Peternel ist seit ihren Schwangerschaften Diabetikerin – trotz eines gesunden Lebensstils und schlanker Figur. Ihre Erfahrung: "Dem Gesundheitssystem ist das eher egal."

Drei Jahre ist es her, dass mich der Arzt irritiert ansah: "Sie haben Diabetes", sagte er und sah auf den Blutbefund. "Eigentlich dürfte das nicht sein."

Nach zwei Schwangerschaften mit Gestationsdiabetes, einer temporären Zuckerkrankheit durch Hormone, war ich bei den wenigen, denen die Krankheit blieb. Die traf mich wie ein Keulenschlag, denn ich war schlank und ernährte mich gesund. Wie konnte das sein?

Die vielen Fragen, die ich hatte, beantwortete mir damals keiner. Der Diagnosesteller schob mir Rezepte über den Tisch und entließ mich. Ernährungsschulungen? Fehlanzeige, schließlich war die Krankheit noch nicht so fortgeschritten, dass ich Insulin spritzen müsste. Blutzuckerkontrollen? Ja, aber die sind wie Lotto: Die ÖGK zahlt mir für das Fingerstichgerät nur einen Teststreifen täglich – der hat null Aussagekraft. Auch regelmäßige Kontrollen sieht das Gesundheitssystem nur in seinen Werbebroschüren vor: Erinnert werde ich nie, mein damaliger Hausarzt meinte sogar, meine Werte seien „nicht so schlimm“, da müsse man nicht so genau schauen. Auch die Ärztin danach vergaß regelmäßig, warum ich denn „schon wieder“ ein Blutbild machen wollte.

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KURIER-Redakteurin Evelyn Peternel ist seit ihren Schwangerschaften Diabetikerin. Ihre Erfahrung: "Dem Gesundheitssystem ist das eher egal."

"Für die Krankenkasse bin ich die Wunschpatientin"

Die private Internistin, die ich mir dann suchte, war nicht nur entsetzt, sondern checkt seither alles haargenau. Sie zahle ich aber auch Länge mal Breite. Das ist der große Fehler im System: Für die Krankenkasse bin ich die Wunschpatientin, weil ich bei Süßem zehnmal überlege, ob ich es mir heute oder erst in einer Woche gönne; Untersuchungen mache ich aus Eigenantrieb und treibe Sport, Sport, Sport. Den Zucker halte ich per Oberarmsensor in Schach, den zahle ich aber selbst, ebenso wie viele Ärzte.

Das führt zur paradoxen Situation, dass ich zu gesund bin, um für den Staat ein Problem zu sein – der greift erst ein, wenn’s wirklich bergab geht. Ökonomisch ist das absoluter Irrsinn. Bei Weitem nicht jeder Patient ist vorsichtig, vor allem wenn er nicht aufgeklärt wird. Das schafft eine Kostenspirale; wer sich nicht um seinen Zucker kümmert, dem drohen Augenschäden, Nervenprobleme, Schlaganfall. Und die kosten deutlich mehr als Essens-Schulungen und Zuckersensoren.

Österreich merkt das am Budget. Nur acht Länder weltweit geben pro Diabetiker mehr aus als wir, viele investieren aber nicht in die schlimmen Fälle, sondern in Prävention. Wäre ich in Schweden, wo die Betreuung den Staat ähnlich viel kostet, hätte ich vor Jahren einen Brief bekommen: Dort werden Risikoperson automatisch kontaktiert, etwa bei Diabetes oder Übergewicht in der Familie.

Österreich hat da einen blinden Fleck. Der kostet nicht nur Geld, sondern auch Leben.

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