Wie "Dancing Stars" Österreich einen neuen Tanz-Boom bescherte

Ein elegantes, kaukasisches Paar tanzt anmutig in einem hellen Tanzstudio mit Holzböden.
Tanzen begeistert seit Jahrhunderten, Fernsehshows entfachten einen neuen Hype. Wie Körper und Seele davon profitieren.

Als „Toni-Polster-Effekt“ bezeichnet Klaus Höllbacher das, was sich in den vergangenen zwanzig Jahren in Österreichs Hobbytänzerszene zugetragen hat. Es war im Herbst 2005, als sich die erste Abordnung prominenter Damen und Herren auf das Tanzparkett des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wagte – darunter der ehemalige Fußballspieler Toni Polster.

Obwohl seine Beinarbeit im Ballroom nicht an jene auf dem Platz herankam, tanzte sich Polster ins Finale und landetet hinter Marika Lichter auf dem zweiten Platz der ersten Staffel „Dancing Stars“.

„Ab da haben sich viele gedacht: Wenn der Polster das kann, kann ich das auch“, blickt Höllbacher auf den Einfluss des tanzenden Ex-Stürmers zurück. Höllbacher führt eine Tanzschule in Graz und ist Präsident des österreichischen Tanzlehrerverbandes. Nach den ersten drei Staffeln der heimischen Tanz-Show seien die Neueintritte nahezu explodiert, sagt er: „Seither hat sich das auf einem guten Niveau eingependelt.“ Der pandemiebedingte Einbruch sei überwunden, „manche Tanzschulen sind heute sogar besser gebucht als davor“. Auch die Anzahl der Tanzschulen steigt. „Vor 30 Jahren hatten wir in Österreich 50, 55 Tanzschulen“, berichtet der Präsident. Heute seien es etwa doppelt so viele.

Mit und ohne Partner

Zwei davon (in Wels und am Attersee) führt Maria Angelini-Santner mit ihrem Bruder Christoph Santner. Die Oberösterreicherin hat alle Stationen einer „Dancing Stars“-Karriere durchlaufen, war Profi, führte ORF-Moderator Martin Ferdiny 2017 zum Sieg und sitzt aktuell in der Jury, die am kommenden Freitag den 16. „Dancing Star“ mitwählen wird.

Eine Frau in einem glitzernden, asymmetrischen Abendkleid auf einer Bühne.

Maria Angelini-Santner bei "Dancing Stars"

Die Sendung hat nicht nur ihr (Privat-)Leben verändert – seit 2022 ist sie mit ihrem ehemaligen Tanzpartner Marco Angelini verheiratet –, sondern auch das Image des Paartanzens, das in Österreich eine lange Tradition hat. „,Dancing Stars’ hat extrem dazu beigetragen, dass Tanzen wieder modern geworden ist – ein Hobby, das Österreicherinnen und Österreicher gerne ausleben“, stellt Angelini-Santner fest. „Wir merken, dass die Kurse gut gebucht sind und Tanzen wieder eine breite Masse anspricht.“

Ein fixer Partner ist dafür schon lange kein Muss mehr: „Unser Singlekurs ist besonders beliebt“, erzählt die Staatsmeisterin im Standardtanz, die heuer mit ihrem Bruder auch wieder für die Eröffnungschoreografie des Wiener Opernballs verantwortlich zeichnete.

Apropos Debütanten: Als „Grundausbildung“ ist der Tanzkurs für 16-, 17-Jährige in vielen Bundesländern heute nicht mehr Standard. Dafür hat der Anteil erwachsener Paare, die gemeinsam einen Tanzkurs besuchen, in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. „Oft sind die Kinder außer Haus und man sucht wieder eine gemeinsame Freizeitbeschäftigung als Paar“, beschreibt Höllbacher die typische Tanzschulkundschaft. Auch junge Paare ab 25 kämen häufiger. „Tanzen ist ein schönes Paarhobby: Es verliert keiner wie beim Tennis, beide gewinnen.“

Die gefragten Tänze gingen mittlerweile weit über die Standard- und Lateinklassiker hinaus, berichtet der Experte: Salsa, Bachata, Tango Argentino, Hiphop oder Kizomba zu afrikanischen Rhythmen – Hauptsache, Körper und Geist kommen in Schwung.

Einfach lebendig fühlen

Dass Tanzen gesund hält, ist wissenschaftlich inzwischen vielfach belegt. Die Psychologin, Neurowissenschafterin am Max-Planck-Institut und ehemalige Tänzerin Julia Christensen hat die vielseitigen Effekte in ihrem Bestseller „Tanzen ist die beste Medizin“ gesammelt. „Musik, Bewegung und Berührung“ sind für sie die drei wichtigsten Faktoren, die Tanzen zu einem ganzheitlichen Gesundheitsbooster machen. Nicht nur die Figur, auch das Gehirn profitiert: „Es gibt Langzeitstudien, die nahelegen, dass Tanzen dem kognitiven Verfall vorbeugen kann“, erklärt sie. Bis ins hohe Alter werden beim Tanzen neue Nervenzellen gebildet. Sogar Parkinson-Symptome könnten dadurch hinausgezögert oder verbessert werden.

Eine Ausrede gibt es laut Christensen nicht: Nur etwa 1,5 Prozent der Bevölkerung seien genetisch nicht in der Lage, sich intuitiv im Takt zu bewegen. „Menschen sind zum Tanzen geboren“, schreibt auch der britische Tanzpsychologe Peter Lovatt in seinem Buch „The Dance Cure“. „Die Wissenschaft zeigt, dass bereits zehn Minuten Tanzen ein intensives Training für Körper und Geist darstellen: Der Herzschlag wird beschleunigt, was zur Ausschüttung von Glückshormonen führt, wir kommen in Kontakt mit unseren Gefühlen, unser Stresslevel sinkt. Durch Tanzen fühlen wir uns einfach lebendiger.“

Ein Effekt, den Angelini-Santner auch bei „Dancing Stars“ bemerkt. „Egal, wie verschlossen ein Promi zu Beginn ist: Es gab noch keinen, der nicht gesagt hätte, dass das Tanzen mit Kopf und Körper etwas gemacht hätte“, sagt sie. „Die Leute gehen mit neuem Selbstbewusstsein hinaus.“

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