Das Therapeuten-Ehepaar Sabine und Roland Bösel erklärt den Reiz des getrennten Wohnens im höheren Alter und wie man es schafft, trotz räumlicher Distanz partnerschaftliche Nähe zu bewahren.
Wann würden Sie einem Paar zu getrennten Wohnsitzen raten?
Sabine Bösel: Wir begleiten Paare darin, ihre eigenen Wege und Antworten zu finden. Interessanterweise kommen besonders jüngere Paare oft nach ziemlich genau zwei Jahren Beziehung mit dieser Frage zu uns. Das ist die Zeitspanne, nach der in Partnerschaften oft die Frage aufkommt, ob man zusammenzieht. Diese Frage kann sich ausweiten zur Frage, ob man für immer zusammenzubleiben gedenkt und manchmal, wenn ein Part davon überzeugt ist und der andere nicht, führt das in eine Krise.
Roland Bösel: Es geht für uns bei dieser Frage auch um keine vorgefertigten Lebenskonzepte, um kein „man soll zusammen oder man soll getrennt leben“. Für das Paar muss es passen.
Studien zufolge wirkt das LAT-Modell positiv auf die mentale Gesundheit – vor allem bei über 60-Jährigen. Woran könnte das liegen?
Sabine Bösel: In der zweiten Lebenshälfte genießen viele Menschen die Freiheit, sich keine Karriere mehr aufbauen und keine Kinder mehr versorgen zu müssen. Gerade alleinstehende Frauen haben es sich oft gemütlich eingerichtet und wollen nicht, dass jemand in ihr Refugium einwandert. Es kann als angenehm empfunden werden, einander zu besuchen, aber doch alleine zu wohnen.
Roland Bösel: Die getrennten Haushalte schützen Frauen auch davor, die Mehrheit der Haushaltsaufgaben zu übernehmen, was bei gemeinsamen Wohnsitzen noch immer häufig der Fall ist und natürlich zu Konflikten führen kann.
Was kann man tun, damit die Liebe bei getrennten Wohnsitzen nicht vergeht?
Sabine Bösel: Das Gelingen einer Beziehung braucht Bewusstsein, immer. Eine spezielle Gefahr bergen getrennte Wohnsitze schon. Es kann sein, dass sich, wer nur auf Besuch ist, nicht zu Hause fühlt und sich wie ein beliebiger Gast verhält. Man sollte Bedingungen herstellen, unter denen sich beide an beiden Orten angekommen fühlen und sich natürlich verhalten. Unnatürlich wäre es, dass, wenn der oder die mit der Wohnung etwas zu erledigen hat, der oder die andere auf der Couch sitzt und die eigene Aktivität aufs Warten beschränkt.
Ist LAT das Beziehungsmodell der Zukunft?
Sabine Bösel: Der Mensch will sich vielleicht manchmal zurückziehen, aber nicht dauerhaft allein in seiner Höhle sitzen. Es liegt nahe, dass gemeinsame Wohnsitze in längeren Partnerschaften auch in Zukunft überwiegen werden.
Roland Bösel: Außer den sozialen Bedürfnissen spielen auch praktische Gründe eine Rolle. Zwei Wohnsitze verkomplizieren manche Bereiche des Lebens bzw. fällt man damit um Synergien um, beim Kochen etwa. Zudem ist es eine Ressourcenfrage. Zwei Wohnsitze zu erhalten, das schlägt sich auf das Budget.
Dr. Sabine Bösel und Roland Bösel Selbst seit bald 50 Jahren ein Paar, geben die Paar- und Psychotherapeuten ihr Wissen aus der Arbeit mit mehreren tausend Paaren heute vor allem in Paar-Seminaren, Workshops und online auf www.liebesdoppel.at weiter.
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