Antibiotika, Blutdruckmittel: Hohe Werte von Medikamentenresten in Donau
Die Konzentrationen von durch Menschen eingetragenen Substanzen in Flusssysteme haben 87 Forschergruppen weltweit in einer konzertierten Aktion gemessen. Im Fachblatt "PNAS" zeigen sie, dass an jedem vierten Messpunkt zumindest ein Wert von Resten von Arzneimitteln, Kosmetika oder Lifestyle-Substanzen, wie Nikotin oder Koffein in einem Ausmaß erhöht war, das Wasserorganismen bedrohen oder Antibiotika-Resistenzen fördern könnte. Das gilt auch für die Donau bei Wien.
Die Proben wurden in 137 Regionen auf der ganzen Welt entnommen. Insgesamt trugen die Wissenschafter Informationen von 1.052 Standorten zusammen. Ausgewertet wurden alle Proben in einem einzigen Labor an der Universität York (Großbritannien), um bestmögliche Vergleichbarkeit zu erzielen. Gesucht wurde nach 61 Substanzen aus dem Arzneimittel- und Lifestyle-Bereich. Laut dem an der Untersuchung beteiligten Umweltgeowissenschafter Thilo Hofmann von der Universität Wien ist dies die erste derart umfassende Studie, die sich weltumspannend damit befasst, welcher Substanzcocktail durch den Menschen in Flüsse gelangt, wie er im Gespräch mit der APA erklärte.
61 Substanzen untersucht
Für einzelne Flüsse gebe es bereits Beobachtungsinitiativen, so etwa das gegenüber der aktuellen Studie deutlich detailliertere "Joint Danube Survey" (JDS) für die Donau, an dem Hofmann und Kollegen auch bereits beteiligt waren. Die nunmehrige Untersuchung zielte vor allem auf ein Gesamtbild über alle Kontinente und über 104 Länder ab. "Das Besondere ist hier, dass man das weltweit gemacht hat", sagte Hofmann, für den Status der Donau sei das JDS aber der beste Bericht.
Die 61 nun untersuchten Substanzen sind jene, die Wissenschafter in früheren Studien als wichtige Einflussfaktoren identifiziert haben. Global gesehen am häufigsten fand sich in der neuen Studie das Epilepsiemedikament Carbamazepin, an zweiter Stelle folgte das Diabetesmedikament Metformin und auf Platz drei landete mit Koffein eine Verbindung, die gleichsam den Lebensstil reflektiert, aber auch in Arzneimitteln zum Einsatz kommt. Weiter oben in der Liste rangieren u.a. auch das Betäubungsmittel Lidocain oder Nikotin und Paracetamol, wie der Arbeit zu entnehmen ist.
Die höchsten Kontaminationen fanden sich in Lahore (Pakistan), La Paz (Bolivien), Addis Abeba (Äthiopien) und im indischen Delhi. Im Raum Wien entnahmen Hofmann und sein Team Proben an insgesamt sieben Stellen vor, in und in bestimmten Abständen nach der Stadt bzw. nach der Wiener Hauptkläranlage. Die Werte der Bundeshauptstadt liegen im Schnitt über denen anderer EU-Ländern und über jenen anderer Donau-Anrainerstädte wie Bratislava, Budapest, Belgrad oder Bukarest. Die höchsten Durchschnittswerte in der EU erzielte Madrid (weltweit Platz zwölf). Der Wiener Donauabschnitt landete unter den 137 untersuchten Regionen auf Rang 40.
Viel Koffein
Diesen Befund sollte man nicht alarmistisch verstehen, betonte Hofmann. Die teils "erstaunlich hohen Konzentrationen" zeigen aber, wo Schwächen liegen. So lagen auch in Wien die Carbamazepin- und Metformin-Werte relativ hoch. "Wir finden natürlich auch viel Koffein." Dazu kamen mehrere Antibiotika, Allergiemittel oder auch Blutdrucksenker und Wirkstoffe gegen Nervenleiden. Unmittelbar nach der Einleitung der Stadtabwässer in die Donau verzeichne man auch Konzentrationen, die Einfluss auf Organismen haben könnten, ein paar Kilometer stromabwärts verlaufe sich dies aber wieder.
Die Studie zeige jedenfalls deutlich, dass die Flüsse ein Spiegel des menschlichen Handelns sind. Die Befunde seien ein starkes Argument dafür, in Europa eine vierte Reinigungsstufe in Kläranlage etabliert, um "nicht mehr Medikamenten oder Kosmetikarückstände in Gewässer einzuleiten". Wien sei in der guten Position, diese Überbleibsel mit dem hochqualitativen Frischwasser aus den Hochquellleitungen sozusagen die Donau hinunterspülen zu können, wo es rasch verdünnt wird. "Langfristig kann das aber nicht die Lösung sein, wird brauchen schon eine vierte Reinigungsstufe, damit wir eben diese Stoffe herausholen", so der Umweltgeowissenschafter.
Welche Wirkungen der Substanz-Cocktail in den Flüssen eigentlich entfalten kann, werde u.a. auch in Wien im Rahmen der kürzlich lancierten "Exposome Austria Forschungsinfrastruktur" untersucht. Was einzelne Substanzen tun können, sei vielfach verstanden. Das Zusammenspiel der Stoffe könne aber auch Überraschungen bereithalten, erklärte Hofmann. Um die "Chemikalienwolke" wirklich zu verstehen, brauche die Wissenschaft aber vermutlich noch um die zehn bis 15 Jahre.
Kommentare