Aus für Amalgam-Zahnfüllungen in der EU: Was zahlt die Kasse künftig?

Eine Amalgamfüllung dient dazu, Zahndefekte preiswert und einfach zu beheben.
Im Laufe der Menschheitsgeschichte wurden allerlei Materialien zur Reparatur schadhafter Zähne verwendet. Elfenbein und Muschelstücke etwa, aber auch feine Knochensplitter, Steinmehle, Harze, Pflanzensamen und Blei. Von Letzterem – beziehungsweise dem lateinischen Wort für Blei "plumbum" – leitet sich der heutige gängige Begriff "Plombe" ab.
Ab 1820 etablierten sich Amalgamfüllungen in der Zahnmedizin. Zwar eignet sich das weiche und leicht formbare Amalgam für Zahnfüllungen. Wegen des enthaltenen Quecksilbers ist es aber seit Jahrzehnten umstritten. In der EU darf es schon seit 2018 nicht mehr bei Kindern unter 15 Jahren, Schwangeren und stillenden Müttern zum Einsatz kommen.
Aus für Amalgam Zahnfüllung
Nun hat die EU eine Ausweitung des Verbots beschlossen: Quecksilberhaltige Zahnfüllungen sollen ab 2025 demnach fast gänzlich verboten werden.
Der KURIER beantwortet die wichtigsten Fragen:
Wie ist das geplante Verbot von Quecksilber-Zahnfüllungen in der EU zu bewerten?
"Zunächst einmal ist es ein Verbot mit überschaubaren Auswirkungen", sagt Andreas Moritz, Leiter der Universitätszahnklinik Wien. "Amalgam ist eine Füllung, die heute kaum mehr jemand möchte." Tatsache sei aber auch, "dass diese Füllung komplett von der Krankenkasse bezahlt wird und für Menschen, die sich einen hohen Selbstbehalt nicht leisten können, daher alternativlos ist". Die Frage sei, "was nach dem Verbot stattdessen kommt".
Für Moritz wesentlich: "Die Krankenkasse muss bereit sein, eine gleichwertige Alternative – sprich eine Langzeitfüllung, wie Amalgam es ist – zu bezahlen. Dann ist gegen ein Verbot vom Amalgam auch nichts einzuwenden."
Amalgamfüllungen sind eine Kassenleistung. Wenn diese verboten werden: Wird es auch Änderungen bei den von der Kasse übernommenen Füllungen geben?
Welche Füllungen in Österreich künftig von den Krankenkassen übernommen werden, ist noch ungewiss. Auf KURIER-Anfrage bei der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) heißt es dazu, dass "zunächst die Veränderungen der EU-weiten Rechtslage trägerübergreifend eingehend geprüft werden". Die damit verbundenen "medizinischen und vertraglichen Fragen werden infolge mit unserem Zahnmedizinischen Dienst und mit der Österreichischen Zahnärztekammer zeitnah aufgegriffen – dabei werden wir gemeinsam alle Details klären". Die bundeslandweite Finanzierung zahnmedizinisch notwendiger Füllungen durch die Sozialversicherung werde jedenfalls "auch in Zukunft sichergestellt sein".
Die Österreichische Gesundheitsklasse (ÖGK) bezahlt derzeit Zahnfüllungen aus Amalgam im Seitenzahnbereich. Weiße Füllungen aus Kunststoff werden nur für die Frontzähne bezahlt. Für Seitenzähne müssen Füllungen aus Kunststoff (weiße Füllungen) privat bezahlt werden - auch bei einer Vertragszahnärztin bzw. einem Vertragszahnarzt.
Die Honorarnote für Füllungen aus Kunststoff im Seitenzahnbereich können in der Regel bei der ÖGK eingereicht werden. Dann erhält man meist einen Zuschuss von 80 Prozent der tariflichen Kosten für eine Füllung aus Amalgam.
Gibt es wissenschaftliche Beweise dafür, dass Amalgamfüllungen gesundheitsschädlich sind?
"Amalgam wird seit mehr als 150 Jahren in der Zahnmedizin als Füllungsmaterial verwendet. Es zählt zu den am besten untersuchten Füllungsmaterialien in der Zahnmedizin", schickt Moritz voraus. In Studien wurden zudem die Auswirkungen von beruflicher Quecksilberexposition, etwa beim Hantieren mit quecksilberhaltigen Leuchtmitteln, mit jenen von Amalgamfüllungen im Mund verglichen. Hier zeigte sich, dass das Ausmaß, in dem man durch solche Füllungen im Mund mit Quecksilber in Kontakt kommt, "35- bis 285-mal niedriger ist als der 'subclinical effect level'", erklärt Moritz. Das heißt, "dass Effekte zwar messbar sind, aber keine klinisch feststellbaren Beschwerden auftreten". Diese Erkenntnisse seien ein "ausreichender Sicherheitsbeweis". Hinzu komme, "dass Amalgam auch Vorteile und Nutzen hat".
Welche Vorteile sind das?
Zum einen dehnt sich Amalgam beim Aushärten nur geringfügig aus. "Das ist ein erwünschter Effekt, weil dadurch ein dichter Randschluss der Kavität, also des Zahnlochs, erfolgt." Amalgam verschließt Zahnlöcher von allein dicht und muss nicht wie zum Beispiel zahnfarbene Kunststofffüllungen an die Zahnhartsubstanz angeklebt werden. Weitere Vorteile von Amalgam sind eine hohe Verschleißfestigkeit und einfache Verarbeitbarkeit.
Die EU verbietet quecksilberhaltige Zahnfüllungen, um Gesundheit und Umwelt vor den schädlichen Auswirkungen des Schwermetalls zu schützen. Quecksilber sei hochgiftig. Durch das Einatmen von Quecksilberdämpfen können Gehirn, Lunge, Nieren und das Immunsystem dauerhaft geschädigt werden. In der Vergangenheit wurde das Schwermetall zum Beispiel in Batterien, Thermometern und Leuchtstoffröhren verwendet.
Muss man sich als Patientin oder Patient sorgen, wenn man eine Amalgamfüllung hat?
"Nein, man muss sich als Patientin oder Patient keine Sorgen machen, wenn man eine Amalgamfüllung hat", bekräftigt Moritz. Auch der Tausch einer funktionierenden Amalgamfüllung sei aus gesundheitlichen Gründen nicht unbedingt erforderlich.
Tatsächlich seien Amalgamfüllungen theoretisch für den Zahnarzt oder die Zahnärztin das größere Problem: "Wenn über zehn Füllungen am Tag gelegt oder herausgeschliffen werden, atmen die Mediziner sicherlich größere Mengen ein als der Patient oder die Patientin."
Wie oft werden Amalgamfüllungen in Österreich noch gemacht?
Trotz quecksilberfreier Alternativen werden nach Angaben des Parlaments in der EU jährlich immer noch rund 40 Tonnen Quecksilber für Zahnamalgam verwendet. Genaue Zahlen für Österreich gibt es nicht. Moritz: "Aufgrund des Patientenwunsches nach zahnfarbenen Füllungen kommt Amalgam aber immer seltener zum Einsatz."
Ausnahmen vom EU-Verbot soll es geben, wenn ein Zahnarzt oder eine Zahnärztin eine solche Füllung etwa aufgrund von medizinischen Bedürfnissen des Patienten für unbedingt erforderlich hält. Was ist damit gemeint?
"Ich wüsste nicht, in welchem Fall man zwingend eine Amalgamfüllung legen müsste, und nichts anderes möglich ist", sagt Moritz. Theoretisch denkbar sei, dass ein tief unter das Zahnfleisch reichendes Loch damit besser befüllt werden könnte. "Das wird im Bedarfsfall individuell zu entscheiden sein. Aber aus heutiger Sicht wird es extrem selten sein, dass Amalgam unbedingt erforderlich sein wird."

Zahnfüllungen aus Amalgam sind umstritten, weil sie giftiges Quecksilber enthalten.
Welche Optionen gibt es bei Zahnfüllungen?
Neben Amalgamfüllungen, die wegen ihrer dunklen Farbe deutlich im Mund sichtbar sind, gibt es eine Reihe anderer Füllungsoptionen, die sich in erster Linie durch ein verbessertes ästhetisches Erscheinungsbild auszeichnen. "Die beste Ästhetik ist mit Kompositen, sprich zahnfarbenen Kunststofffüllungen, erzielbar: Im Idealfall sind die Füllungen mit freiem Auge nicht von der Zahnhartsubstanz unterscheidbar", präzisiert Moritz.
Komposite sind plastische Füllungsmaterialien, die nach Einbringen in das Zahnloch chemisch oder durch Lichteinwirkung aushärten. Bei diesem Härtevorgang schrumpft das Material und muss durch einen komplizierten Klebevorgang an der Zahnhartsubstanz befestigt werden. Dieser Klebeverbund wirkt den Schrumpfungskräften entgegen und verhindert einen Randspalt zwischen Füllung und Zahnsubstanz. "Kompositfüllungen können daher nur bei absoluter Trockenheit angewendet werden", erklärt Moritz. "Im Gegensatz zu Amalgam ist die Verarbeitung von Kompositen kompliziert, zeitaufwendig und fehleranfällig." Aus dem Klebeprozess ergebe sich aber auch ein Vorteil: "Die Füllung muss in der Regel nur so groß wie der Defekt sein, während bei Amalgam häufig Unterschnitte angefertigt werden müssen, damit die Füllungen halten."
Die aus zahnmedizinischer Sicht besten Fülloption sind sogenannte Inlays aus Gold, Glaskeramik oder Zirkonoxid. "Dem Patientenwunsch nach zahnfarbenen Restaurationen entsprechen Glaskeramik oder Zirkonoxid, deren mechanische Eigenschaften, etwa Härte und Elastizität, dem Zahnschmelz ähnlicher sind als Komposite." Allerdings seien die Kosten solcher Füllungen erheblich höher als die von Amalgam oder Kompositen – "und werden daher in absehbarer Zeit voraussichtlich nicht von den Krankenkassen übernommen werden".
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