Forscher finden sechsten Geschmack

Wenn das Fett tropft und trieft: Noch ist nicht klar, ob Fettrezeptoren im Zungengewebe an das Gehirn das Signal "fettig" senden - eine Voraussetzung für einen Grundgeschmack.
Sie bezeichnen "fettig" als neuen Grundgeschmack wie "süß" oder "salzig".

Noch ist es nicht offiziell – und noch bleibt es vorerst bei fünf Hauptgeschmacksrichtungen: süß, sauer, bitter salzig und umami (herzhaft-fleischig). Doch jetzt behaupten Forscher der Purdue-Universität in Indiana, USA: "Es gibt eine sechsten Grundgeschmack – fettig." Einen Namen schlagen die überzeugten Forscher auch gleich vor: "oleogustus" – "Ölgeschmack".

Da darf man jetzt aber nicht an die vollmundigen Gaumenfreuden denken, die sich bei Oliven- oder Leinsamenöl höchster Güteklasse einstellen. Der typische Geschmack von Fettsäuren entspricht dem, was man allgemein als "ranzig" bezeichnet.

Für eine im Journal Chemical Senses erschienene Studie wurden Testpersonen Proben verschiedener Geschmacksrichtungen vorgelegt. Die Mehrheit konnten den Fettgeschmack von anderen Geschmacksrichtungen unterscheiden. Beeinflussungen durch den Geruch wurden mit Nasenclips ausgeschlossen.

"Es wäre eigentlich logisch, dass es für alle drei Makronährstoffe – Fette, Eiweiße und Kohlenhydrate – einen eigenen Grundgeschmack gibt", sagt Univ.-Prof. Klaus Dürrschmid von der Universität für Bodenkultur in Wien. Für Kohlenhydrate ist es "süß", für die Eiweiße "Umami". "Doch bei Fett ist der biochemische Nachweis noch nicht erbracht", sagt Dürrschmid.

Zwar konnten Wissenschaftler vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke 2011 erstmals nachweisen, dass es im Zungengewebe Fettrezeptoren gibt, also Antennen, an die Fettmoleküle "andocken" können: "Aber diese Rezeptoren sind im gesamten Körper vorhanden und ihre Funktion ist noch nicht eindeutig geklärt."

Nachweis fehlt

Damit Fett eindeutig als Grundgeschmack bezeichnet werden kann, müsste folgender Prozess ablaufen: "Nach Kontakt mit den Fettzellen müsste ausgehend von den Rezeptoren über die Nervenzellen ein Signal an das Gehirn geschickt werden, das diesem mitteilt, ,diese Speise schmeckt fettig‘". Aber diesen Nachweis gebe es – im Gegensatz zu den anderen Geschmacksrichtungen – noch nicht. Dürrschmid: "Es könnte sein, dass die Aufgabe der Fettrezeptoren im Körper eine ganz andere ist."

Vielleicht beschreibe auch die Vorstellung von den Grundgeschmacksarten die Wirklichkeit gar nicht exakt. "Vielleicht sind sie nur die Eckpunkte eines Geschmacksraumes, dessen vielfältige Dimensionen wir noch gar nicht alle erfasst haben." So werde ja auch diskutiert, ob es einen "metallischen Geschmack" gibt: "Aber auch hier ist letztlich noch nichts geklärt. Jedenfalls scheine es so zu sein, dass Menschen, die den Fettgeschmack besser wahrnehmen, weniger Fett zu sich nehmen."

Starkes Übergewicht und Fettleibigkeit könnten ihre Ursache in der unterschiedlichen Wahrnehmung von Fettsäuren haben. Erwiesen ist: Je schlechter und einseitiger sich Kinder ernähren – mit viel Zucker und Fett – umso schlechter sind auch ihre Geschmacks- und Geruchsfähigkeiten, sagt Klaus Dürrschmid. „Das eine könnte das andere zur Folge haben.“

Es könnte aber auch ganz anders sein: „Genetische Faktoren könnten die Ursache dafür sein, dass die Geschmackswahrnehmung von Geburt an schlechter ist, ganz unabhängig vom späteren Ernährungsverhalten. Deshalb benötigen diese Menschen mehr Süßes und mehr Fettes, um den Geschmack in derselben Intensität wahrnehmen zu können wie andere Menschen. Erst dadurch haben dann auch sie Freude am Essen.“
Dürrschmid konnte in eine Studie zeigen, dass nur ein Viertel der getesteten Schulkinder alle Grundgeschmacksarten richtig erkennen kann.

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