Geschichte um Mitternacht: Wie der Zweite Weltkrieg vor 80 Jahren in Berlin endete

Der Krieg in Europa endet dort, wo er sechs Jahre zuvor von den Nazis geplant und begonnen worden war: in Berlin (siehe Bild oben). Am 8. Mai 1945 kapituliert das „Deutsche Reich“ bedingungslos. Damit ist die nationalsozialistische Gewaltherrschaft endgültig gebrochen. Die vollständige militärische und politische Niederlage des sogenannten „Dritten Reiches“ war seit Anfang 1943 das oberste Kriegsziel der Alliierten (Großbritannien, USA und Sowjetunion) gewesen. Am Ende befindet sich Deutschland mit 54 Staaten im Krieg.
Der „Führer“ Adolf Hitler hat sich am 30. April 1945 umgebracht. Doch der Krieg geht noch gut eine Woche weiter. Die Deutschen hoffen bis zuletzt, mit den westlichen Alliierten einen Sonder-Waffenstillstand abschließen zu können, um so einen Keil zwischen die Sieger zu treiben. Ironie der Geschichte: Als Deutschland besiegt und die mit den Nazis verbündeten Japaner im September 1945 aufgeben, ist es mit der Freundschaft der Alliierten dann tatsächlich vorbei und der sogenannte „Kalte Krieg“ zwischen West und Ost wird beginnen.
Am 8. Mai ist davon noch wenig zu spüren. Am Tag zuvor hatten die Deutschen schon in der französischen Stadt Reims gegenüber den West-Alliierten kapituliert. Doch das zählt nicht wirklich. Der amerikanische Oberbefehlshaber Dwight D. Eisenhower besteht auf der sofortigen und bedingungslosen Kapitulation der Deutschen vor allen verbündeten Truppen.
Pannen vor der Zeremonie

Georgi Schukow: Zeremonienmeister der Kapitulation
Und so findet die Ratifizierung der Kapitulation am 8. Mai im sowjetischen Hauptquartier in Berlin statt. Marschall Georgi K. Schukow (Bild oben) als Vertreter des sowjetischen Oberkommandos hat sein Hauptquartier im östlichen Stadtteil Karlshorst in einer ehemaligen Pionierschule der Wehrmacht errichtet. Hierher ladet er die Vertreter der alliierten Siegermächte ein, zu denen nun auch Frankreich gezählt wird. Auch die Oberkommandierenden der Wehrmacht werden nach Berlin zitiert. Im Laufe des 8. Mai 1945 treffen alle Beteiligten in Berlin ein.
Die Zeremonie verschiebt sich allerdings um mehrere Stunden. Es muss noch eine russische Ausfertigung der bis dahin nur auf Englisch vorliegenden Urkunde erstellt werden. Zudem fehlt an der Stirnseite des Saals noch eine französische Flagge. Montiert worden waren nur die sowjetische, britische und US-amerikanische Flagge, sodass die französische aus Stoffresten improvisiert und ergänzt werden muss.
Letztlich dauert es bis Mitternacht, bis alle Vorbereitungen abgeschlossen sind. Schließlich ist es bereits etwa 0.45 Uhr am 9. Mai als die deutschen Oberkommandierenden unter Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel die auf den 8. Mai datierte Kapitulation unterzeichnen.

Wilhelm Keitel unterzeichnet die Kapitulationsurkunde
Anschließend signieren die Oberkommandierenden der Alliierten. Die ganze Zeremonie dauert etwa eine Dreiviertelstunde. Neben vielen hohen Offizieren sind jede Menge Journalisten versammelt, die den historischen Augenblick festhalten. Erklärungen werden nicht abgegeben. Die Stimmung ist frostig. Erst nachdem die deutsche Delegation den Saal verlässt, kommt Stimmung auf. Schukow hält eine kurze Rede. Dann lässt er Champagner und Wodka auffahren. Das folgende Festbankett zieht sich bis in den Morgen hinein. Dabei legt Schukow einen russischen Tanz aufs Parkett.
Ein neuer Krieg beginnt
Gefeiert wird seit dem 8. Mai auch in den europäischen Großstädten und sogar in den Kolonien. So in der Stadt Sétif in Algerien (damals ein Teil Frankreichs). Die Feier artet in eine gewalttätige Demonstration für die Unabhängigkeit Algeriens aus. Die Demonstranten töten 22 Europäer. Der Gegenschlag der französischen Armee wird bald folgen. Der nächste Krieg hat begonnen: der Algerienkrieg.
Die Folgen des Krieges in Österreich

Zerstörungen
200.000 Wohnungen oder Häuser in ganz Österreich waren vollständig zerstört oder zumindest unbewohnbar.
3.000 Industriebetriebe waren Ruinen.
850.000 Kubikmeter Schutt lagen in Wien (im Bild oben das Wiener Arsenal 1945). Die Infrastruktur, von Straßen und Brücken bis zu Eisenbahnen und Wasserleitungen, lag in Trümmern. Am schwersten zerstört war Wiener Neustadt: 88 Prozent der Gebäude waren zerstört oder beschädigt.

Heimatvertriebene
1,65 Millionen Flüchtlinge befanden sich im Mai 1945 in Österreich, dazu kamen Kriegsgefangene, Ex-Zwangsarbeiter, KZ-Überlebende. Die Vertreibung
der deutschstämmigen Bevölkerung aus Staaten wie der Tschechoslowakei oder Jugoslawien ließ diese Zahlen weiter anwachsen. Allein 300.000 Sudetendeutsche landeten in Österreich.

Kleine Opfer
Speziell bei Kindern war die Unterernährung dramatisch. 20 Prozent der Säuglinge in Wien starben an Unterernährung.
100.000 Kinder wurden ins Ausland geschickt. 30.000 dieser sogenannten „Butterkinder“ kamen in die Schweiz, andere nach Holland oder Skandinavien, um aufgepäppelt zu werden.

Verstaatlichung
Um die unter den Nazis gegründete Schwerindustrie nicht in die Hände der Besatzer fallen zu lassen, wurden Eisen- und Stahlindustrie, aber auch Banken, die E-Wirtschaft
und Werften verstaatlicht. In der Sowjet-Zone, wo die Verstaatlichung nicht anerkannt wurde, wurden Industrieanlagen demontiert und ins Ausland geschafft.
1,6 Milliarden Dollar flossen in den Wiederaufbau von Industrie und Infrastruktur. 1947 begannen die USA mit ihrem „European Recovery Programm“ (Marshallplan).

Versorgung
800 Kalorien mussten einem Normalverbrauchern reichen, ein Jahr später waren es gerade einmal 1.200. Die Ernten waren auf ein Drittel des Vorkriegsniveaus geschrumpft. In Wiener Parks wurden Kartoffeln angebaut. Auf den Schwarzmärkten in Wien gab es Razzien (Bild oben)

Internationale Hilfe
1 Million CARE-Pakete mit Konserven, Trockenmilch oder Schokolade, organisiert von 22 privaten US-Hilfsorganisationen, wurden in Österreich verteilt. 60 Prozent der Lebensmittel für die städtische Bevölkerung stammten 1946 aus Spenden.
Kommentare