Zerwürfnis der Sozialpartner: AK-Fragebogen ärgert Großfirmen

Zerwürfnis der Sozialpartner: AK-Fragebogen ärgert Großfirmen
Eine Aktion der Arbeitnehmerseite sorgt für Krach mit der Wirtschaftskammer. Der Ursprung des Zerwürfnisses liegt tiefer.

Vordergründig geht es um einen Fragenkatalog, den die Arbeiterkammer (AK) an Österreichs Großunternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern ausgeschickt hat und der für ziemlichen Ärger sorgt. Bei den Firmen, der Industriellenvereinigung und dem Sozialpartner, der Wirtschaftskammer (WKÖ).

Anlass ist das „Nachhaltigkeits- und Diversitätsverbesserungsgesetz“. Als ob Österreichs Unternehmen nicht schon genügend bürokratische Vorschriften hätten, schreibt dieses Regelwerk (Kurzform NaDiVeG) neuerdings zusätzliche Berichtspflichten im Umfeld von Corporate Social Responsibility (CSR) vor.

Die AK will es noch genauer wissen und schickte 200 Fragen aus, die weit über das Gesetz hinausgehen und deren Beantwortung durchaus aufwendig ist. Das Spektrum zieht sich von Fragen, wie genau eine Nachhaltigkeitsstrategie erarbeitet wurde, über die Zahl der Meetings von Betriebsrat und Management bis zu Details von Diversitätsagenden.

Das wäre noch kein Grund für allzu große Aufregung. Stünde nicht ein Satz dabei, der von den Unternehmen als Drohung empfunden wird. Man erlaube sich, die Namen von Firmen, die nicht teilnehmen, zu veröffentlichen.

Die WKÖ empfiehlt den Unternehmen, diese Umfrage nicht zu beantworten. „Es kann nicht sein, dass die AK unseren Mitgliedern droht und sie öffentlich an den Pranger stellen will“, ärgert sich WKÖ-Generalsekretär Karlheinz Kopf. Die Unternehmen „erfüllen die gesetzlichen Berichtspflichten mit größter Sorgfalt“. Interessierte Organisationen könnten jederzeit auf die veröffentlichten Berichte zurückgreifen, „dafür sind sie ja da“.

Zerwürfnis der Sozialpartner: AK-Fragebogen ärgert Großfirmen

Kopf, Mahrer und Klein beim Job-Gipfel mit der Regierung im September 2018

„Vielleicht etwas wenig feinfühlig formuliert“, gesteht AK-Direktor Christoph Klein ein. Man habe lediglich bewirken wollen, dass die Angeschriebenen die Umfrage auch ernst nehmen“. Vielleicht mache man es umgekehrt und erwähne die Teilnehmer ausdrücklich.

Den Fragenkatalog verteidigt er damit, dass das NaDiVeG zu schwammig sei. Der AK seien Transparenz, Qualität und Arbeitnehmer-Kennzahlen ein großes Anliegen. Unternehmen müssten laut Aktiengesetz schließlich auch das Wohl der Gesellschaft im Auge haben. Die Frist für die Beantwortung wäre übrigens schon am vergangenen Donnerstag abgelaufen, wurde jetzt aber auf Grund zahlreicher Anfragen um zwei Monate verlängert.

Knatsch zwischen den Sozialpartnern

Für Kopf reiht sich die Aktion „in die unternehmensfeindlichen Äußerungen und Aktionen der AK ein, die wir bereits aus der Vergangenheit kennen. Wir weisen diesen Umgang miteinander aufs Schärfste zurück“. Das habe mit Sozialpartnerschaft nichts mehr zu tun.

„War doch keine böse Attacke auf die Wirtschaft und darf nicht in Verbindung mit der Sozialpartnerschaft gebracht werden“, kontert Klein.

Der aktuelle Disput tut der ohnehin angeschlagenen Sozialpartnerschaft, der Achse zwischen Wirtschaft und Arbeitnehmern, nicht gut. Die türkis-blaue Regierung ist wirtschaftsfreundlicher als die vorherige Koalition, drängt den Einfluss der Sozialpartner aber zurück, vor allem von Gewerkschaft und Arbeiterkammer. Die Strategie geht voll auf. Der Sozialpartner-Motor stottert, ohne dass die Regierung direkt eingreift.

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Mahrer und Leitl bei der Amtsübergabe

Wobei, das „österreichische Erfolgsmodell“ hat schon vor Türkis-Blau nur noch mäßig funktioniert. Die Sozialpartner haben unter der rot-schwarzen Regierung selbst auch zum gefühlten Stillstand beigetragen. Entweder haben die AK und der ÖGB ideologisch blockiert oder die Wirtschaftskammer – und jeder hat die Verhinderung dann seinen Mitgliedern als Erfolg verkauft.

Dass die Regierung wirtschaftsfreundlich agiert, findet Kopf natürlich positiv. Aber er sieht einen Wermutstropfen: „Auch wenn derzeit langjährige Forderungen der Wirtschaft erfüllt werden – es macht unsere Gesprächsbasis mit der Arbeitnehmerseite nicht einfacher.“

Der langjährige WKÖ-Präsident Christoph Leitl war noch ein großer Anhänger der alten Sozialpartner-Tradition, doch sein Nachfolger Harald Mahrer gehört einer neuen Generation an.

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AK-Direktor Christoph Klein

„Die Regierung hat die Leadership und entscheidet, keine Frage. Doch wir fühlen uns aus dem Dreieck aus Regierung und Sozialpartnern herausgedrängt“, bedauert Klein. Nicht nur, was Informationen betrifft. „Man spricht mit uns nicht über die Themen und aus den Institutionen fliegen wir auch raus.“ Was ein gedeihliches Miteinander mit Regierung und Wirtschaft erschwere.

Beispiele gibt es genügend. Etwa die neue Digitalisierungsagentur, in deren Beirat Wirtschaftsleute und Wissenschaftler sitzen, aber keine Vertreter von AK oder Gewerkschaft.

Auch im neuen Standortentwicklungsbeirat, der Großprojekte auf ihre Relevanz abklopft, um die Umweltverträglichkeitsprüfung zu beschleunigen, sind die Arbeitnehmer nicht präsent.

Detto in der Leitung des Insolvenzentgeltsicherungsfonds, der die Ansprüche der Mitarbeiter bei Pleiten abdeckt und in dem die AK früher eines von vier Mandaten hatte.

Besonders schmerzt Klein die Nicht-Präsenz im Generalrat der Nationalbank, „obwohl dort die Basis für die Lohnpolitik entwickelt wird“.

Der große Elchtest für die Sozialpartnerschaft wird die Neubesetzung der Gremien in der Sozialversicherung. Mit der Reform verliert die rote Seite ihre Dominanz, aber das war ja auch die Absicht der Regierung.

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