Eine Reform der Berechnung des Bruttoinlandsproduktes hat Nigeria schlagartig zu
Afrikas Top-Wirtschaftsmacht gemacht. Der größte Öl-Produzent des Kontinents hat damit den bisherigen Spitzenreiter Südafrika überholt. Nach der Neuberechnung des Statistikamtes vom Sonntag belief sich die Wirtschaftskraft
Nigerias 2013 auf umgerechnet gut 372 Milliarden Euro, fast doppelt soviel wie bislang gedacht. Zum Vergleich: Südafrika kommt nur auf knapp 229 Milliarden Euro.
Nigeria - das bevölkerungsreichste Land des Kontinents mit 170 Millionen Einwohnern - hat die Methoden zur Ermittlung der Daten seit 1990 nicht mehr angepasst. So wurden ganze Branchen wie der Internet-Handel, der Mobilfunk oder die als "Nollywood" (
Bild) bekannte Filmindustrie nicht berücksichtigt. Dies wurde nun auf Druck von ausländischen Investoren geändert, um verlässlichere Daten aus dem westafrikanischen Staat zu bekommen. In
Ghana erhöhte sich bei einer ähnlichen Reform die Wirtschaftsleistung auf einen Schlag um 60 Prozent. Industriestaaten passen für gewöhnlich alle paar Jahre ihre Statistik an das veränderte Produktions- und Konsumverhalten an.
Durch den Aufstieg dürfte
Nigeria noch attraktiver für Investoren werden. "Das hat positive Folgen für die Wahrnehmung des Landes", sagte Ökonom
Alan Cameron von CSL Stockbrokers in
London. "Rund um den Globus wird nach der nächsten Wachstumsstory außerhalb
Chinas und
Indiens gesucht", sagte auch der Chefanlagestratege von Gryphon Asset Management,
Abri Du Plessis. "Und
Afrika ist in den Köpfen der Investoren."
In Nigeria sind schon die großen Konsumgüterhersteller präsent - von Nestle über Heineken und Cadbury bis hin zu Unilever. Auch große Produzenten von Baumaterialien wie Lafarge und Dangote Cement sind vor Ort. Das wachsende Interesse von Industrie- und Dienstleistungsunternehmen an Nigeria könnte dessen Abhängigkeit von der Ölproduktion verringern helfen. Auch für Geldgeber dürfte das Land interessanter werden. Schon jetzt liegt der Schuldenstand bei unter 20 Prozent der Wirtschaftsleistung, in Österreich waren es 2013 74,5 Prozent. Durch die Neuberechnung sinkt die Quote weiter, ein Zahlungsausfall wird noch unwahrscheinlicher.
Allerdings ist in dem westafrikanischen Land mit seinen rund 152 Millionen Einwohnern nicht alles Gold, was glänzt. Es gibt eine miserable Qualität bei Telefon- und Internetverbindungen, verstopfte Straßen, Häfen und Flughäfen sowie eine Abhängigkeit von Dieselgeneratoren als wichtigster Stromquelle. Viele Investoren gehen deshalb davon aus, dass der Konkurrent im Süden des Kontinents vorerst das wichtigste Wirtschaftszentrum bleibt.
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