Wo bleibt das Jobwunder nach der großen Rodung?

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Bilanz der höchst umstrittenen Abholzung in Ohlsdorf, OÖ: 600 Jobs versprochen, aber nur 40 realisiert. Und wie Immo-Geschäfte die Bilanz der Bundesforste retten
Andrea Hodoschek

Andrea Hodoschek

Nachher sind (fast) alle klüger. Die Bundesforste, die das Areal in Ohlsdorf, OÖ, an den Alt-Industriellen Hans Asamer verkauften und die Wald-Vernichtung überhaupt erst ermöglichten, würden heute nicht mehr so handeln. „Die Bundesforste haben aus der öffentlichen Diskussion ihre Lehren gezogen“, erklären die staatlichen Waldbesitzer. Das Thema Bodenversiegelung werde in der Gesellschaft „zunehmend sensibler wahrgenommen – und das ist aus unserer Sicht auch richtig“. Bei der Entscheidung über neue Projekte räume man diesem Aspekt ein deutlich höheres Gewicht ein als beim damaligen Grundstücksverkauf.

Die Einsicht kommt freilich viel zu spät.

Das zeigt die Bilanz des von Beginn an höchst umstrittenen Projektes heute, vier Jahre später. Alle Beteiligten hatten permanent die Schaffung von Arbeitsplätzen beteuert. Der heuer verstorbene Schotterbaron Asamer kündigte 600 Arbeitsplätze an, der oberösterreichische Wirtschafts- und Raumordnungs-Landesrat Markus Achleitner (ÖVP) sprach von einem Leitprojekt mit „Hunderten Arbeitsplätzen“. Das in Aussicht gestellte Arbeitsplatzwunder war letztlich auch ausschlaggebend für das Land OÖ, dass die Interessensabwägung zugunsten des Projektes ausfiel.

Asamer ließ fast 19 Hektar Wald platt machen, 20.000 Bäume wurden vernichtet, mehr als im Stadtgebiet von Linz. Er wollte das Areal zuerst an den Handelskonzern Rewe weitergeben, verkaufte dann aber an das belgische Betriebsansiedlungsunternehmen VGP.

Der ehemalige ÖVP-Großspender Asamer ist auch der Einzige, der bei dem Deal ein gutes Geschäft machte. Der Rechnungshof definierte den Mehrerlös für Asamer mit 12,2 Millionen Euro. Außerdem monierten die Prüfer, dass die staatlichen Förster auf eine Nachbesserungsklausel und damit „auf einen potenziellen weiteren Verkaufserlös verzichteten“.

„Mit der Rodung wurden 600 neue Arbeitsplätze versprochen, 40 Jobs sind es bis heute geworden, das Betriebsbaugebiet steht überwiegend leer“, kritisiert Neos-Landessprecher Felix Eypeltauer. Würde das Land „strategisch durchdachte und fachlich fundierte Raumordnungsprogramme erlassen, würde das Risiko fragwürdiger Anlasswidmungen wie in Ohlsdorf erheblich sinken“.

Derzeit hat Rewe einen Teil der von VGP im „Park Ehrenfeld 2“ errichteten ersten Halle für ein Frischelager angemietet, in dem 40 Mitarbeiter beschäftigt sind. Der Konzern hat auf der anderen Autobahnseite schon länger einen Standort. Das war’s dann aber auch schon, ein Ausbau sei nicht geplant, heißt es bei Rewe.

VGP sucht derzeit noch Mieter für den Bau zweier weiterer Hallen. Darauf hofft Landesrat Achleitner. Das Betriebsbaugebiet sei aktuell im Bau, daher seien gegenwärtig keine aussagekräftigen Informationen möglich. Zahlen würden erst nach Abschluss der Betriebsansiedlungen vorliegen, lautet das schmallippige Statement.

Förster im Immo-Geschäft

Für die Bundesforste (ÖBf) war der Verkauf jedenfalls „eine Ausnahme und wird es auch bleiben“.

KLIMAKRISE: PG "ZWEITER KLIMA-SACHSTANDSBERICHT KLIMAWANDEL (AAR2)": TOTSCHNIG

Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig, ÖVP

Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) findet es positiv, „dass die Bundesforste künftig drohende Bodenversiegelungen noch stärker bei Verkaufsüberlegungen berücksichtigen“. Ein bewusster, verantwortungsvoller Umgang mit Boden, Flächeninanspruchnahme und Versiegelung „muss unser aller Ziel sein“.

Die Staatsförster haben einen Teil des Verkaufserlöses in den Neubau von Mietwohnungen investiert. Sie haben in den vergangenen Jahren ein Immobilien-Imperium aufgebaut. Nicht nur Almhütten und gewachsener Bestand, investiert wird auch in den Wohnbau. Gehört nicht zum Kerngeschäft von Österreichs größtem Waldeigentümer, rettet aber die Bilanz.

Bundesforste-Sprecherin Andrea Kaltenegger sieht die Diversifizierung, neben Immobilien noch Erneuerbare Energien und Dienstleistungen, als „wesentlichen Eckpfeiler des Unternehmenserfolges. Der Wald ist und bleibt das Kerngeschäft“. Seit 1997 würden die Bundesforste alljährlich Gewinne erwirtschaften.

Im Vorjahr erzielten die ÖBf eine Betriebsleistung im Geschäftsbereich Immobilien/Tourismus von 68 Millionen Euro, das sind 18,3 Prozent des gesamten Umsatzes. Wie rentabel der Bereich ist, zeigt sich am Ebit (Betriebsergebnis). Vom 37,2 Millionen Euro Gesamt-Ebit stammen 95 Prozent aus Immo-Einnahmen.

Ohne diese hätten die Bundesforste 2024 ein großes Minus geschrieben, die Waldschäden durch den Klimawandel summierten sich auf das Rekordniveau von 50 Millionen Euro.

PK WIRTSCHAFTSMINISTERIUM "BEGUTACHTUNGSSTART ELEKTRIZITÄTSWIRTSCHAFTSGESETZ (ELWG)": DOPPELBAUER

Karin Doppelbauer, Landwirtschaftssprecherin der Neos

Die Bundesforste sollten sich auf den Schutz des Waldes konzentrieren, das müsse in der Eigentümerstrategie klar verankert werden. Immo-Geschäfte und Wohnbauprojekte sollten, wenn erforderlich, völlig transparent umgesetzt oder besser von privaten Unternehmen übernommen werden, meint dagegen Neos-Landwirtschaftssprecherin Karin Doppelbauer. Bei Totschnig wird argumentiert, durch die Diversifizierung seien die Bundesforste heute viel krisensicherer aufgestellt als die meisten anderen forstlichen Unternehmen in Europa. Und seien ein „beständiger Nettozahler an den Staatshaushalt“. 

andrea.hodoschek@kurier.at

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