Von diesen Aussichten bekommt der Signa-Gründer und U-Häftling René Benko wahrscheinlich Albträume. Sein 55-jähriger Kollege Markus Braun, einst umtriebiger Boss des Zahlungsdienstleisters Wirecard, sitzt seit viereinhalb Jahren in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt München-Stadelheim. Seit November 2022 wird dem Österreicher der Prozess gemacht. Der Vorwurf lautet auf bandenmäßigen Betrug, Veruntreuung, Bilanzfälschung und Marktmanipulation, sprich auf Manipulation des Aktienkurses. Die Strafdrohung beträgt bis zu 15 Jahre Haft.
Die Staatsanwaltschaft München I geht davon aus, dass ein Bankguthaben der Wirecard in Höhe von 1,9 Milliarden Euro aus dem sogenannten Drittpartnergeschäft bei Banken auf den Philippinen überhaupt nicht existierte.
Mehr noch: Braun soll seit 2015 gewusst haben, dass Wirecard Verluste schreibt. Die finanzierenden Banken sollen dabei um 3,1 Milliarden Euro geschädigt worden sein. Der Österreicher wird von einem Ex-Manager schwer belastet, aber er streitet jeglichen Vorwurf ab.
Verfahren eingeschränkt
Braun beschuldigte den flüchtigen Ex-Wirecard-Manager Jan Marsalek, auch ein Österreicher, die Gelder mit Mittätern beiseite geschafft zu haben. Für seine These konnte Braun bisher aber keine belastbaren Belege vorweisen. Indes will der Richter Markus Födisch in Abstimmung mit der Staatsanwaltschaft den Strafprozess abkürzen. Er hat angekündigt, dass sich die Anklagebehörde aus prozessökonomischen Gründen nur noch auf die besonders schwerwiegenden Vorwürfe gegen Braun & Co. konzentrieren werde.
Sieben Vorwürfe eingestellt
Sieben weniger relevante Vorwürfe, darunter drei Untreue-Vorwürfe, wurden am Freitag eingestellt. So wird gegen Braun nicht mehr der Tatvorwurf des Betrugs im Zusammenhang mit der Ausgabe einer 500 Millionen Euro schweren Anleihe erhoben. Auch die Marktmanipulation durch Veröffentlichung anscheinend unrichtiger Geschäftsberichte und Prognosen für die Geschäftsjahr 2015 bis 2019 in 26 Fällen ist vom Tisch.
Die Einstellungen sind bei den Verteidigern Brauns gar nicht gut angekommen. Verteidigerin Theresa Kraußlach hat einen Befangenheitsantrag gegen den Richter eingebracht. Sie behauptet, dass das Urteil des Richters schon feststehe, obwohl der Prozess noch nicht beendet sei.
Außer Betracht gelassen
Laut Handelsblatt brachte die Verteidigerin vor, dass wesentliche Erkenntnisse aus den vergangenen zwei Verhandlungsjahren zum Thema Drittpartnergeschäfte vom Richter „vollends außer Betracht“ gelassen werden.
Sie ortet darin eine Vorverurteilung ihres Mandanten Braun, da Beweise nicht berücksichtigt und Ermittlungen zu den Auslandskonten nicht durchgeführt worden sein sollen. Das Drittpartnergeschäft ist in die Verantwortungsbereiche von Jan Marsalek und Oliver Bellenhaus gefallen. Letzterer ist Kronzeuge und belastet Braun schwer. Der Prozess wird Mitte März fortgesetzt. Bis Mitte Dezember 2025 sind noch rund 80 Prozesstage angesetzt. Während der geständige Kronzeuge Bellenhaus mit einem deutlichen Strafnachlass rechnen darf, dürfte der nicht geständige Braun laut Beobachtern die Höchststrafe ausfassen.
Nichts zu holen
Durch den Zusammenbruch der Wirecard AG haben rund 50.000 Anleger 8,5 Milliarden Euro verloren. In einem sogenannten Kapitalanleger-Musterverfahrengesetz (KapMuG) sollten die Kernfragen aus 8.500 Einzelprozessen geklärt werden. Im Mittelpunkt der Schadenersatz-Klagen steht das Wirtschaftsprüfungsunternehmen EY, das die gefälschten Bilanzen von Wirecard abgesegnet hatte. Da die Testate der Bilanzen, sprich die Beglaubigung, keine Kapitalmarktinformation sei, könne EY nicht nach dem KapMuG-Verfahren geklagt werden, so das Gericht. Nun können die Anleger nur noch Braun & Co. persönlich klagen, dabei dürfte aber nichts zu holen sein.
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