Wien will Schwarzarbeit schärfer kontrollieren

Ein Mann spachtelt eine Decke.
Bau und Gastro "Sorgenkinder" bei Lohn- und Sozialdumping. Schwerpunktaktionen geplant. Hundstorfer sieht Handlungsbedarf bei Scheinfirmen.

Wien will Verstöße gegen Lohn- und Sozialdumping schärfer kontrollieren. Damit sollen dem "Pfusch" und der Unterbezahlung von Arbeitern ein Riegel vorgeschoben werden, sagten Sozialminister Rudolf Hundstorfer und Wirtschaftsstadträtin Renate Brauner (beide SPÖ) am Montag in einer Pressekonferenz. Die "Sorgenkinder" von Politik und Behörden sind vor allem die Branchen Bau und Gastronomie.

Ein Mann in einem Anzug gestikuliert während einer Rede vor einem Mikrofon.
" Wien liegt im Bundesländervergleich an dritter Stelle", nur Niederösterreich und die Steiermark schnitten noch schlechter ab, bezog sich Hundstorfer auf die Anzahl der bis Ende 2014 ausgestellten rechtskräftigen Bescheide wegen Unterentlohnung. Die Bundeshauptstadt kam hier auf 64 von bundesweit 394, Niederösterreich und Steiermark lagen bei 97 bzw. 79. Anzeigen gab es in Wien in diesem Bereich 181 (von 1.044). Österreichweit wurden im Zuge der rechtskräftigen Bescheide bisher knapp 4,2 Mio. Euro an Geldstrafen verhängt. Betroffen davon waren zu gut drei Vierteln ausländische Betriebe. Für Wien werden hier keine eigenen Zahlen ausgewiesen.

Gesetzliche Neuregelung

Seit Jahresbeginn gilt in Österreich eine gesetzliche Neuregelung, mit welcher Lohn- und Sozialdumping weiter eingedämmt werden soll. Ausgeweitete Lohnkontrollen und höhere Verwaltungsstrafen sind wesentliche Punkte der Novelle. Zwecks möglichst effizienten Vollzugs in Wien hat die Stadt zu einem Gipfeltreffen mit Politik, Sozialpartnern, Behörden und Krankenkassen eingeladen, dessen Ergebnisse nun präsentiert wurden.

" Schwarzarbeit schädigt alle"

Eine Frau mit Brille gestikuliert vor einem blauen Hintergrund.
Ein Hauptresultat: Um die Verstöße in Wien zu drücken, wollen die Behörden künftig konzertierte Schwerpunktaktionen durchführen. " Schwarzarbeit schädigt alle", erklärte Brauner. Arbeiter- und Wirtschaftskammer sehen das ebenso. AK-Chef Rudolf Kaske forderte bei der Gelegenheit allerdings von Finanzminister Hans Jörg Schelling ( ÖVP) mehr Personal für die Finanzpolizei. Denn derzeit könne nicht flächendeckend kontrolliert werden, zeigte Kaske "wenig Verständnis" für die aktuelle Situation. WK-Vertreter Georg Toifl wiederum merkte an, dass es auch an der Komplexität der Regeln liege, dass einzelne Betriebe in Konflikt mit dem Gesetz kommen. Bei den "schwarzen Schafen" handle es sich außerdem oft um Firmen mit Sitz im Ausland, die schwer zu belangen seien.

Handlungsbedarf bei Scheinfirmen

Hundstorfer selbst sieht noch Handlungsbedarf bei Scheinfirmen. Hier sei man gerade dabei, die legistischen Mittel weiterzuentwickeln, kündigte der Sozialminister an - denn: "Hier müssen wir noch besser werden."

Was Wien betrifft, sind abseits schärferer Kontrollen ausreichende Schulungen für jene Behörden, die das Bundesgesetz vollziehen, sowie halbjährliche Vernetzungstreffen aller eingebundenen Stellen geplant. "Das erste wird schon in ein paar Wochen stattfinden", freute sich Brauner.

Die wachsende Arbeitslosigkeit und die konstant hohe Steuer- und Sozialabgaben-Last werden den "Pfusch" in Österreich heuer weiter steigen lassen. Die Schattenwirtschaft dürfte 2015 das dritte Jahr in Folge zunehmen und auf 21,35 Mrd. Euro bzw. 8,14 Prozent des BIP klettern, nimmt der Linzer Volkswirtschafts-Professor Friedrich Schneider an. Das ist EU-weit der niedrigste Wert.

Größter Verlierer beim "Pfusch" sei der Staat, dem dadurch Steuern und Sozialbeiträge in Höhe von 2 bis 3,5 Mrd. Euro pro Jahr entgehen, so Schneider. Die Steuerverluste selbst würden sich deshalb in Grenzen halten, da das "schwarz" verdiente Geld sofort wieder im offiziellen Wirtschaftskreislauf ausgegeben werde. Weiterer Verlierer seien die Krankenversicherungen, die Kosten zusätzlicher Unfälle bzw. von Arbeitsunfähigkeit der Pfuschern tragen müssten.

Österreich Schlusslicht

Ein Mann mit grauem Haar und Anzug spricht.
Friedrich Schneider Johannes Kepler Universität JKU Linz
In der Europäischen Union ist Österreich - in positiver Hinsicht - Schlusslicht beim Anteil der Schattenwirtschaft, gemessen am offiziellen Bruttoinlandsprodukt. Ebenfalls einstellige Raten weisen nur noch Luxemburg (8,3), die Niederlande (9,0) und das Vereinigte Königreich (9,4 Prozent) auf. Jedoch ist Österreich eines von nur sechs EU-Ländern, in denen der " Pfusch" zunimmt. Deutschland liegt bei 12,2 Prozent. Die höchsten Werte hat Schneider für Bulgarien (30,6), Rumänien (28,0) und Kroatien (27,7 Prozent) ermittelt. Im OECD-Raum weisen nur Neuseeland, die Schweiz und vor allem die USA mit 8 bzw. 6,5 und 5,9 Prozent noch geringere " Pfusch"-Quoten als Österreich auf.

In Österreich dürfte heuer die Schattenwirtschaft um 4,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr wachsen. Abgesehen vom Anstieg von 5,75 Prozent im Jahr 2014 ist dies das stärkste Plus seit 2011. Quantitativ am bedeutendsten ist die Schattenwirtschaft in Wien mit 5,88 Mrd. Euro sowie in den großen Bundesländern Ober- und Niederösterreich mit 3,57 bzw. 3,46 Mrd. Euro.

8,33 Mrd. Euro "schwarz" umgesetzt

Ein Maurer setzt einen Ziegelstein auf einer Baustelle.
Dieses Bild ist relativ eindeutig, doch ein anderes Bild einer Ziegelmauer sorgt derzeit für Diskussionen im Netz
Baugewerbe und der Handwerksbetrieb (samt Reparaturen) halten in Österreich mit zirka 39 Prozent naturgemäß den größten Anteil beim " Pfusch". 2015 werden hier rund 8,33 Mrd. Euro "schwarz" umgesetzt, schätzt der Ökonom - davon in Wien 2,3 Mrd. Euro, in NÖ 1,35 Mrd. und in OÖ 1,39 Mrd. Euro. Es folgen sonstige Gewerbebetriebe und haushaltsnahe Dienstleistungen mit 17 Prozent Anteil bzw. absolut 3,63 Mrd. in Österreich, dabei 1 Mrd. in Wien, 588 Mio. in NÖ und 607 Mio. Euro in OÖ. Weitere jeweils 3,42 Mrd. Euro entfallen bundesweit auf die beiden Sektoren "andere Gewerbe- und Industriebetriebe" sowie "Dienstleistungsbetriebe" (Hotels, Gaststätten usw.). Den geringsten Anteil hat laut Schneider die Unterhaltungs- und Vergnügungsbranche mit 2,56 Mrd. Euro "Schattenvolumen" in ganz Österreich.

Historisch gesehen war der "Pfusch"-Anteil am BIP hierzulande vor einem Jahrzehnt spürbar höher. Von 2003 bis 2005 etwa war der Kuchen jeweils 10 bis 11 Prozent groß, bis 2008 schrumpfte er stetig bis auf 8,1 Prozent. Dann, im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise, wuchs er 2009 auf 8,5 Prozent, um danach im Zuge des etwas kräftigeren Wirtschaftswachstums wieder bis auf 7,5 Prozent im Jahr 2013 zu sinken; 2014 waren es 7,8 Prozent.

Eine Grafik zeigt die Schattenwirtschaft in Österreich im Vergleich zu anderen EU-Ländern.

Experte für anreizorientierte Bekämpfung

Zwei Bauarbeiter arbeiten im Rohbau an einem Gerüst neben einem Kran.
Zwei Arbeiter montieren am 18.04.2013 in Freiburg (Baden-Württemberg) auf dem Dach eines Hochhauses unter einem Kran im Gegenlicht ein Gerüst auf. Foto: Patrick Seeger/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++
"Inoffizielle" Aktivitäten könnten nur dann in die offizielle Wirtschaft überführt werden, wenn es attraktiv ist, sich dort verstärkt zu engagieren, erklärt der Linzer Uni-Professor, seit Jahren für seine " Pfusch"-Berechnungen bekannt. Immer noch habe die Schattenwirtschaft in Österreich und in den meisten OECD-Ländern ein Ausmaß, das dringenden politischen Handlungsbedarf erfordere, um sie weiter zu reduzieren.

Es sei Aufgabe der staatlichen Institutionen, des Bundes, der Länder und der Kommunen, sich mit allen Mitteln für eine verstärkte anreizorientierte Bekämpfung der Schwarzarbeit einzusetzen, so Schneider. Geschehen könne dies durch eine befristete Rückvergütung der Mehrwertsteuer bei arbeitsintensiven Dienstleistungen, die Einführung einer steuerlichen Absetzbarkeit von haushaltsnahen Dienstleistungen und Investitionen im Haushalt (bis zu 2.000 Euro pro Haushalt p.a.) für das ganze Jahr und nicht gedeckelt. Zudem sollten Firmen, die "schwarz" arbeiten oder arbeiten lassen, für 3 bis 5 Jahre von öffentlichen Aufträgen gesperrt werden. Und es sollten auch die Lohnnebenkosten sinken, um den "Pfusch" unattraktiver zu machen.

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