Währungsfonds kritisiert Deutschlands rigiden Sparkurs

IWF zu Schieflagen: Deutscher Überschuss um 4 bis 5 Prozentpunkte zu hoch. Berlin sollte mehr Geld für Infrastruktur ausgeben.

Extreme Schieflagen in den weltweiten Handels- und Finanzströmen bergen erhöhte Risiken - das war eine Lehre der großen Krise von 2008. Nachdem die Ungleichgewichte nach der Finanzkrise stark abgenommen hatten, erreichten sie im Vorjahr drei Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung.

Ungefähr 35 bis 45 Prozent der weltweiten Leistungsbilanz-Überschüsse und -Defizite bewertet der IWF als exzessiv, wie der am Mittwoch veröffentlichte "External Sector Report 2019" ergab.

Die Überschüsse seien vor allem in der Eurozone - explizit in Deutschland und Niederlande -, aber auch in Korea und Singapur besonders überschießend.China sieht der IWF hingegen interessanterweise auf dem Weg zu einer ausgewogenen Balance.

Die Defizite seien unterdessen in den USA, in Großbritannien, aber auch in Schwellenländern wie Argentinien und Indonesien stärker ausgeprägt, als wünschenswert wäre. Überschüsse in der Leistungsbilanz entstehen dann, wenn ein Land übermäßig mehr Geld durch Exporte einnimmt, als es für Importe ausgibt - und obendrein der Staat, die Unternehmen und Privathaushalte zu viel sparen und/oder zu wenig investieren. 

Deutschland im Visier

Insbesondere Exportweltmeister Deutschland steht fast schon traditionell unter IWF-Beschuss, weil es zu wenig dafür tue, die hohen Exportüberschüsse durch mehr Inlandsnachfrage auszugleichen. Nach Prognose des Ifo-Instituts dürfte Deutschland heuer erneut den weltweit höchsten Leistungsbilanzüberschuss aufweisen, was US-Präsident Donald Trump, aber auch die EU-Kommission immer wieder kritisieren. Er sei „übermäßig“, befand auch ein ranghoher IWF-Vertreter.

Wie sehr müsste Deutschlands Regierung, die stolz darauf ist, seit mehreren Jahren Budgetüberschüsse zu erzielen, die Fiskalpolitik lockern, lautete die Frage eines Journalisten.

Der deutsche Staat habe durchaus den nötigen Spielraum, um mehr Geld auszugeben, lautete die IWF-Replik. Konkret sollte damit aber nicht einfach nur die Konjunktur angekurbelt werden, denn die deutschen Unternehmen seien derzeit gut ausgelastet. Hingegen sei es dringend nötig, dass Deutschland sein Wachstumspotenzial steigert. Das ließe sich mit höheren Infrastrukturausgaben bewerkstelligen. Da habe Deutschland eindeutig zu wenig getan.

Laut IWF ist der deutsche Leistungsbilanz-Überschuss seit 2001 signifikant gestiegen und hat 2015 bei 8,5 Prozent der Wirtschaftsleistung den Rekordwert erreicht. 2018 habe der Überschuss aber immer noch 7,3 Prozent betragen. Das sei um 4 bis 5 Prozentpunkte mehr als wünschenswert wäre. Mit dem etwas höheren deutschen Lohnwachstum allein lasse sich das nicht ausgleichen, so der IWF.

Die Experten in Washington empfehlen Deutschland Strukturreformen, die Unternehmergeist fördern sollen, sowie Erleichterungen für Risikokapital. Steuererleichterungen für ärmere Haushalte sollen die Kaufkraft stärken und Pensionsreformen, die die Lebensarbeitszeit erhöhen, dem demographischen Wandel vorbeugen.

Dollar massiv überbewertet

Den US-Dollar hält der IWF für deutlich überbewertet. Dieser sei auf der Grundlage der kurzfristigen wirtschaftlichen Fundamentaldaten um 6 bis 12 Prozent zu teuer, heißt es in dem Bericht. Die Kurse des Euro, des japanischen Yen und des chinesischen Yuan bewegten sich hingegen weitgehend auf einem angemessenen Niveau.

Für Deutschland sei der Eurokurs allerdings angesichts seines hohen Überschusses in der Leistungsbilanz allerdings um 8 bis 18 Prozent zu niedrig.

Trump hat auch wiederholt angeprangert, dass der Dollar zu stark sei und die US-Exporteure behindere. Im Juni kritisierte er in diesem Zusammenhang auch die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) und dessen Präsident Mario Draghi. „Mario Draghi kündigte gerade an, dass weitere Impulse kommen könnten, die den Euro gegenüber dem Dollar sofort fallen ließen“, so der Republikaner.

Dies mache es für Europa auf unfaire Weise leichter, mit den USA zu konkurrieren. „Sie sind damit seit Jahren durchgekommen, zusammen mit China und anderen.“ Je billiger der Euro, desto preislich wettbewerbsfähiger werden Produkte der Euro-Länder in anderen Währungsräumen.

Protektionismus bremst

Allerdings bleibt auch die US-Regierung nicht verschont. Das globale Wachstum habe sich insgesamt verlangsamt. Die Handelsströme wurden sich durch die Politik der Strafzölle somit nicht einfach nur in andere Länder verlagern, sondern das Handelsvolumen habe sich insgesamt verringert, sagte IWF-Chefökonomin Gita Gopinath.

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